Nicht nur die Bauern, aber die auch.
Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber, sagt der Volksmund. Es sind nicht “nur” die Trump- und AfD-Wähler*innen.
Fangen wir anlässlich von “Grüner Woche” und “Wir haben es satt” mit den Bauern an. Jost Maurin (taz) beschreibt die Lage zutreffend. Die Mehrheit der deutschen Bauern wählt sich seit Bestehen der Bundesrepublik ihre Metzger in die politische Führung ihres gleichnamigen Verbandes. Der sie wiederum gnadenlos korrupt an die Agroindustrie ausliefert. Dabei kommt folgender ökonomischer Widersinn unten raus: die inländische Agrarwirtschaft produziert mehr, als wir fressen wollen, also exportiert sie wild drauflos, wie andere deutsche Branchen auch, und konkurriert die Konkurrenz in Rumänien, der Ukraine oder Frankreich gnadenlos kaputt (nebenbei jede Menge afrikanische Märkte u.v.a.). Wer Dumpingstrategien verfolgt, kann nicht gleichzeitig vorteilhafte, kostendeckende Verkaufspreise erzielen. Das tut nur der multinationale Handelskonzern, aber natürlich nicht der Bauer.
Uns selbst dagegen schmeckt das Zeug nicht, wir wollen gesunde und schmackhafte Bioware, zahlen dafür auch das Doppelte bis Dreifache. Das wird aber von der deutschen Agrarökonomie viel zu wenig produziert, muss also importiert werden, egal von wo, mit Kühl-Schiff, Frachtflieger (gerne nachts in Köln/Bonn), jedenfalls extrem hohem Energieaufwand.
Hauptsache Biolabel klebt drauf, bei unserem Griff ins Regal.
Roland Appel hat hier schon zurecht den WDR-Film gelobt, der zeigt, wie sich die Bauern von Bayermonsanto am Nasenring über den eigenen Hof ziehen lassen, und nicht nur ihre Kund*inn*en, sondern auch sich selbst – und ihren Boden – grossen Gesundheitsrisiken aussetzen.
Was ausserdem beiläufig sichtbar wurde, war, was Evgeni Morozov heute in der SZ Datenextraktivismus nennt. Das ist mir zu lateinisch. Eine Übersetzung wäre Daten-Diebstahl und Daten-Enteignung. Bayermonsanto verfolgt exakt dieses Geschäftsmodell weltweit bei landwirtschaftlichen Flächen. Wie es die kalifornischen und chinesischen Datenriesen schon lange mit uns tun. Morozov meint nun, ich auch, Europa, die EU müssen dem ein anderes Modell entgegensetzen. Allein: ich fürchte, das ist eine Träumerei. Die EU hätte schon lange damit anfangen müssen. Zeitweilig war sogar der schwäbische Oettinger dafür zuständig – der macht stattdessen das hier.
Wenn die EU da überhaupt was tut, tut sie es wohl heimlich. Das wäre allein schon alarmierend, weil es dann vermutlich Ähnlichkeiten mit TTIP, CETA und diversen weiteren Freihandelsabkommen (EPAs) – oder der europäischen Agrarwirtschaft! – hätte, die traditionell konspirativ gemanagt werden.
So steht uns Datenbesitzer*inne*n wohl das gleiche Schicksal bevor, wie den Bauern, wie Morozov es richtig charakterisiert: Eingeborene Bewohner der Kolonie Europa. So wird Dummheit bestraft. Wenn wir uns nicht wehren.
Während ich dies schrieb, kam die Nachricht vom Tod Paul Bocuses. Er hat zum Glück viele ehrgeizige Nachfolger*innen gefunden, auch ausgebildet. Ein erfülltes Leben. Wir trauern und verneigen uns, dankbar.
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