Auf dieser Seite habe ich die Gewerbegemeinschaft Beuel bisher ausdauernd gelobt. In der Tat ist ihre blosse Existenz für den Stadtteil wertvoll, das zeigt schon ein Blick nach Bad Godesberg. Jetzt muss die GGB aber wohl von Selbstmordgedanken abgebracht werden. Das wird nicht leicht.

Um meine Ausführungen besser verständlich zu machen und abzukürzen, lesen Sie bitte zunächst:
Daniel Leisegang: Amazon Fresh oder:die Schlacht um die Supermarktkunden, in den Blättern für deutsche und internationale Politik. Die Blätter sind eine im Zweifel linke politikwissenschaftliche Zeitschrift.
Und damit es hier ausgewogen zugeht, und Sie das auch glauben:
diese Meldung aus dem Finanzteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), dem im Zweifel rechten Zentralorgan der im Zweifel rechten konservativen Mehrheitsfraktion des deutschen Grosskapitals.

Nachdem Sie das gelesen haben, fassen wir jetzt also zusammen.
So wie Immobilien nach “den drei L-Kriterien: die Lage, die Lage und die Lage” bewertet werden, gilt die Bewertung für Citys, und solche, die es werden wollen: “die drei A’s”: Aufenthaltsqualität, Aufenthaltsqualität und Aufenthaltsqualität.
Und nun prüfen Sie sich selbst: wie lange halten Sie sich gerne auf einem Parkplatz auf?

Gehen wir mal durch Beuels City: Haltestellen-Dreieck Adenauerplatz.
Wie gefällts Ihnen da? Was machen Sie gewöhnlich, wenn sie dort sind? Was sind ihre Gefühle? Irgendetwas anderes als: schnell weg hier?
Der Rathausvorplatz: freuen Sie sich nicht, wie der Bezirksbürgermeister, wenn Sie ihn betrachten, das ganze Jahr auf Weiberfastnacht? Warum nicht? Das ist doch die Bestimmung dieses Platzes. Wie kommen Sie denn da auf andere Gedanken?
Die Friedrich-Breuer-Strasse: wie lange verweilen Sie vor Schaufenstern? Was tun Sie, wenn Sie zufällig nette Bekannte treffen (denn Verabreden tun Sie sich da ja nicht, oder etwa doch?)? Ich entferne mich zügig mit den netten Bekannten, und weiche dabei beständig anderen Menschen aus, ohne und mit Rollatoren und Kinderwagen. Und stellen Sie sich bloss nicht auf einen freien Parkplatz – das ruiniert den Einzelhändler.
Bleiben das Cafe Cultura (gut verborgene Aussenplätze auf der Rückseite) und die Eiscafes Luna und Etna, leider die geschmacklich schlechteren der drei Beueler Eiscafes – beim Besten, Olivotti sitzen draussen ein paar Raucher*innen, denen die Feinstäube und Abgase an der Ampel hinzugefügt werden.

in einer Seitengasse zum Adenauerplatz hat Kamel Bsissa sein Bistro El Horizonte. Vor einigen Jahren hatte die Stadtverwaltung keine Mühen gescheut, seine Aussengastronomie zu behindern. Die Beueler Bezirksvertretung schob den Schikanen – einstimmig – einen Riegel vor. Seitdem bekommt er ständig Ärger wg. seiner Möblierung (Wind- und Sonnenschutz etc.), aber er jammert nicht. Sein Geschäft geht gut, seine Kundschaft ist klassenübergreifend. Wo gibt es das noch? Aufenthaltsqualität.

Aufhalten können Sie sich ausserdem in der Hans-Böckler-Strasse, im Bistro Odeon am Bioladen Momo. Der Bioladen und das Bistro kämpfen, seit sie dort sind, gegen die Autoparkplätze vor der Tür. Eine teilweise Umwidmung in Fahrradstellplätze – immer über-ausgelastet – war erfolgreich. Auf Bäume statt Autos und ein paar Quadratmeter zusätzliche Aussengastronomie warten wir, die Kundschaft, immer noch – und die Betreiber*innen baggern und baggern bei Lokalpolitik und Verwaltung.

Jüngst wandte sich eine Hauseigentümerin aus dem Combahnviertel an mich. Ihr Haus ist Teil einer geschlossenen Blockbebauung, kein Durchlass zur Rückseite. Sie möchte einen Autostellplatz in diebstahlsichere Fahrradstellplätze umwidmen, um ihr neu erworbenes Hollandrad nicht täglich die Kellertreppe hinunterschleppen zu müssen. Sie wusste nicht, was sie dafür tun und mit wem sie darüber sprechen muss. Ein paar Ansprechstellen konnte ich ihr nennen. Jetzt bin ich gespannt, ob sie – sie ist jetzt 57 – das noch erlebt.

Liebe Beueler Einzelhändler*innen, Sie sind sehr ausgelastet, und haben wenig Zeit. Sie arbeiten engagiert und angestrengt, das ist jetzt keine Ironie. Aber sie sollten wissen: die Autogesellschaft stirbt. In Beuel sind wir in der glücklichen Lage, überhaupt kein Auto zu benötigen. Die, die von aussen kommen, werden sich in naher Zukunft nur noch fahren lassen – vielleicht auch von Autos, die sich den Parkplatz dann selbst suchen. Für die Übergangszeit, in der die Autos noch von Menschen gesteuert werden, könnten Sie vielleicht – endlich, nach Jahrhunderten – mit der Stadtverwaltung ein Leitsystem entwickeln, um die zahlreichen Parkplätze im Beueler Zentrum auch auffindbar zu machen. Das wäre mal ein echter Daseinszweck, für Ihre Gewerbegemeinschaft und für die Bürokratie unserer Stadt. Und wenn die Stadt zu doof ist, machen Sies doch einfach selbst, wie Guerilla-Fische im Wasser.

Update 26.1.: zum Thema heute 21 h das Wirtschaftsmagazin Makro auf 3sat.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net