In der abgelaufenen Woche war wieder Ministerpräsidentenkonferenz. Die Regierungschefs der Bundesländer sind die, die in Deutschland gesetzlich über die Medienpolitik bestimmen. Sie handeln Gesetzentwürfe aus, bzw. lassen sie von ihren “Rundfunkreferent*inn*en und Staatskanzleichefs aushandeln. Und die Landtage als Parlament können dann nur noch Ja oder Nein sagen. Wenn nur einer von 16 Landtagen Neinsagen würde, wäre das Gesetzeswerk gescheitert. Demokratie ist was Anderes.

Dieses Verfahren ist ideal für Lobbyarmeen. Was ist das Besondere an denen? Dass Sie und ich, als Zuschauer*in, Leser*in, Gebühren- und Steuerzahler*in über keine verfügen. Zeitungsverleger*innen, Filmproduzent*innen, Medienmogule dagegen haben sowas. Bei denen ist schon ihr Justitiariat, in Filmen heissen die “Consiliere”, eine Armee, die einzelne Ministerpräsident*inn*en einschüchtern kann. Und das reicht meistens für ein befriedigendes Ergebnis.

In dieser Woche waren konkrete Ziele dieser Armeen: Eindämmung von zu viel gutem Journalismus und Eindämmung seiner öffentlichen Zugänglichkeit und Verfügbarkeit. Und ebenso: Eindämmung, am besten komplette Verhinderung der öffentlichen Zugänglichkeit zu Filmen in Mediatheken.
Genau das wäre nämlich theoretisch in öffentlich-rechtlichen Medien möglich. Wir bezahlen dafür, jeder Haushalt. Doch das birgt Gefahren: wir könnten persönliche Vergleiche anstellen und eigene Qualitätsmassstäbe entwickeln bei unserem Medienkonsum. Das ist nicht erwünscht. Wir sollen doof bleiben, oder bezahlen für Produkte privater, in der Regel von Milliardärsfamilien geführten, Konzerne. Am besten nicht “oder”, sondern “und”. Dann wäre im Sinne der Lobbyarmeen alles gut.

Mit Medienpolitik ist noch nie eine Landtagswahl gewonnen oder verloren worden. Das müssen wir ändern. Wir Mediennutzer*innen brauchen unsere eigene Lobbyarmee.

Wir würden eintreten für sparsame Haushaltsführung in unseren Sendern – da hätten wir korrekterweise sogar die Ministerpräsident*inn*en auf unserer Seite.
In diesem Rahmen bekämen die Sender aber redaktionelle Freiheit – vor allem Schutz vor den politischen Beeinflussungen ebendieser Ministerpräsident*inn*en – für qualitativ hochwertigen Journalismus; und wenn sie das nicht freiwillig machen, würden wir sie gesetzlich dazu verpflichten – sind sie aber schon!
Die Mediatheken und Archive unserer Sender würden für uns zugänglich gemacht und freigegeben. Denn wir haben alles, was da drin ist, schon bezahlt.
Die, die Arbeit für diese Produkte gemacht haben, sollen dafür fair entschädigt werden. Das sind aber nicht nur Produzent*inn*en – schon gar nicht ihre Erbengemeinschaften! – sondern alle, die lohnabhängig oder sogar unbezahlt dafür gearbeitet haben. Eine grosse Bürokratie – wie es in Deutschland gewiss passieren würde – wäre dafür nicht erforderlich. Ein gut programmierter Algorithmus täte es auch.
Unsere Sender müssen, um das leisten zu können, von ihren Pensionslasten befreit werden; so wie die Rentenversicherung nicht geringe Steuerzuschüsse bekommt.

Das wäre demokratische Medienpolitik.

Ein anderes Thema, das aber nicht Ministerpräsidenten von Bundesländern lösen können, wären ökonomisch und technologisch konkurrenzfähige, demokratische Netz- und Datenstrukturen in Europa. Das wäre wichtiger und entscheidender für unsere Freiheit. Und wird zugunsten kalifornischer und chinesischer Oligarchen verschlafen. Dagegen müssten sich alle Medienschaffenden hierzulande, wenn sie noch ganz bei Trost wären, verbinden und gemeinsam randalieren. Dass das bei den aktuellen Koalitiosverhandlungen in Deutschland ein Thema war, war bisher nicht wahrnehmbar. Für so viel strategische Intelligenz hat es leider bisher noch nicht gereicht.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net