Trump tuts nicht, seine Opposition auch nicht. Die Bundesregierung tuts nicht (oder heimlich?), Opposition hat sie nicht. Die EU tuts nicht, im Gegenteil. Frankreich? Ein Blick ins ARTE-Programm genügt. Auch Serge Halimi regt sich in der LMd darüber auf, erklärt uns aber nicht, was sich in dem Sender politisch verändert hat und welche Interessen die Entscheider*innen dort verfolgen. Extrem ärmlich: die schwache von Ränkespielen derangierte konservative Regierung des “Vereinigten Königreiches” (UK).

Es muss gespenstisch gewesen sein, die Regierungserklärung von Theresa May. Genauso gespenstisch wie die komplette Geheimdienstschnurre, die uns da ernsthaft aufgetischt wird, frei von eigenständigen kritischen Recherchen unserer Medien. Ich mag den Tonfall der nachdenkseiten schon lange nicht mehr – aber in diesem Fall sind sie aufklärerisch.

Müssen wir unsere Regierungen allen Ernstes daran erinnern, dass Russland eine Atommacht ist? Dass eine Atommacht per se gefährlich ist? Vor allem, wenn sie unter einem Mangel an politischer Stärke, Souveränität und Demokratie leidet? Hat nicht ausgerechnet die BRD schon einmal vorgemacht, wie Entspannung und menschliche Erleichterungen zu erreichen sind?

Die Klemme, in der sich das Putin-Regime befindet, ist heute online in den Blättern von Anton Himmelspach und Tamina Kutscher, Autor*in des Russland-Portals dekoder.org, nachlesbar. Die Beiden scheinen ebenso wie die Putin-Administration die “Gefahr” des oppositionellen Nawalny paranoid zu überschätzen. Seine Nichtzulassung zur Wahl ist ein dramatisches Zeichen von Schwäche des Regimes. Was hätte er denn erreicht? Mehr als die Kasperle-Opposition der “Kommunistischen Partei“? Oder wenigstens, was der Liberale Jawlinskij in besseren Zeiten mal erzielt hatte?
Die russische “Opposition” ist innenpolitisch komplett lächerlich. Sie stolpert regelmässig über sich selbst: die Egomanie ihrer “Führer”, ihr Mangel an bündnispolitischer Kompromissfähigkeit und strategischer Zuspitzung. Zehntausende Demonstrant*inn*en für Nawalny können nur kenntnislose westliche Korrespondent*inn*en beeindruckend finden. Sie umgeben sich in ihrem Alltagsleben in der globalisierten Hauptstadtmetropole mit fremdsprachenkundigen intellektuellen Schwarmgeistern und glauben, damit die soziale Realität in einem Riesenland zur Kenntnis zu bekommen.

Eine starke Putin-Administration würde solche “Oppostionellen” nicht illegalisieren und kriminalisieren, sondern im öffentlichen Diskurs lächerlich machen – ein Mittel das Putin rhetorisch selbst in Fremdsprachen jederzeit beherrscht, seine eingeschüchterten ängstlichen Hintersassen aber offensichtlich nicht die Spur davon.
Die Oligarchenelite hat Angst und berechtigtes schlechtes Gewissen. Sie versucht vieles in London “in Sicherheit” zu bringen, ohne von der Staatsmacht dafür verfolgt und bestraft zu werden. Einigen gelingt das, anderen nicht. Recht und Gerechtigkeit scheint in London kaum grösser als in Moskau, und umgekehrt, Kriminalität kaum geringer.

Entspannungspolitik würde heissen: Regierungen arbeiten zusammen, um Kriminalität zu bekämpfen. Wenn die Regierungen sich bekämpfen, profitiert die Kriminalität.

Bleibt die Frage an unsere Hauptstadt: wer von Euch tut was dafür? Oder dagegen?
Hättet Ihr die generöse Freundlichkeit zu einem öffentlichen Diskurs, meinetwegen auch Streit?
Haben Sie Jürgen Trittin schon mal so ängstlich und zurückhaltend gehört?
Soll uns das beruhigen?
Es tut das Gegenteil.
Und wäre mal irgendein Journalist*inn*en-Team so freundlich, mit unabhängiger Recherchearbeit anzufangen?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net