Im Gegensatz zur klaren Mehrheit der Bevölkerung, wenn wir dem ZDF glauben dürfen, findet MdB Lambsdorff junior es nicht richtig, dass die Bundeskanzlerin eine deutsche Beteiligung an einem militärischen Vorgehen in Syrien abgelehnt habe. Der ehemalige Genscher-Mitarbeiter und heutige Chef der Münchener Unsicherheitskonferenz, findet es dagegen richtig.
In genscherartiger Sophisterei bezeichnet Ischinger Menschen wie Rainer Bohnet oder mich, die sich vor Kriegsgefahr fürchten und davor warnen, als “verbale Eskalierer”. Da muss mann erstmal drauf kommen.
Letztendlich steht Ischinger aber im DLF-Interview genauso blank da, wie kürzlich schon die grüne Europafraktionschefin Ska Keller (9.4. abends, nicht online). Die EU als Subjekt kollektiver Sicherheit bleibt auch bei ihm eine Projektionsfläche. Dass es zu mehr nicht reicht, beklagt er lauthals, muss sich aber auch dafür bei der Bundesregierung bedanken. Bei der Bewältigung der Finanzkrise vor einigen Jahren, der Bankenrettung und der Erpressung kleinerer europäischer Partner (Griechenland) hat die Bundesregierung unter Führung des heute weiterhin “beliebtesten deutschen Politikers” Wolfgang Schäuble jeden Gedanken an solidarisches europäisches Handeln für lange, lange Zeit verscheucht – “Regeln (deutsche; Anm. d. Autors) müssen eingehalten werden”.
Jetzt regieren in Europa demokratisch zweifelhafte Regimes (Polen, Ungarn, Slowakei, Spanien), in der sozialdemokratischen Projektionsfläche Skandinavien sind Rechtsradikale Teil von Regierungskoalitionen, im einst eurobegeisterten Italien hat eine 2/3-Mehrheit gegen die EU gewählt, seine Ökonomie taumelt heute noch, ist aber im Gegensatz zu Griechenland “too big to fail”. In dieser Lage lässt die deutsche Koalition den französischen Präsidenten, der ihr ideologisch und ökonomisch noch am nächsten steht, am langen Arm verhungern.
Wer ist also heute die EU? Wen sollen die Herren Trump und Putin denn anrufen? Wer könnte denn ein ernstes Wort mit Herrn Assad sprechen, das der auch ernstnehmen müsste? Schäuble vielleicht? Und Erdogan lacht sich “kaputt”.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net