Die Demokratie ist die Grundlage unseres Staates und unserer Gesellschaft. In 91 Prozent aller betriebsratsfähigen Unternehmen in Deutschland hört die Demokratie allerdings vor dem Werkstor oder der Bürotür auf. Dort bestimmt ausschließlich der Chef. Wenn dort ein Beschäftigter auf die Idee kommen sollte, einen Betriebsrat gründen zu wollen, kann man sich folgenden Dialog gut vorstellen:
Mitarbeiter: “Chef, ich will mitbestimmen. Ich möchte einen Betriebsrat gründen.” Chef: “Machen sie mal bitte die Tür zu, danke. Sie wollen einen Betriebsrat gründen? Sind sie noch bei Trost? Wenn Sie das ernsthaft umsetzen wollen, suchen Sie sich bitte baldmöglichst einen anderen Arbeitgeber.”
Das Betriebsverfassungsgesetz formuliert die Gründung von Betriebsräten bei Unternehmen ab fünf ständigen Beschäftigten nur als Soll-Vorschrift. Sanktionen gegen diese Vorschrift sucht man vergebens und deshalb herrscht in vielen Betrieben Angst vor Repressalien, die sogar den Arbeitsplatzverlust zur Folge haben können.
Zu diesem Thema hatte die Bonner SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) namhafte Referenten ins Beueler Rathaus eingeladen. Einleitend erläuterte Prof. Dr. Werner Nienhüser von der Universität Duisburg-Essen, warum aus seiner Sicht die Gründung von Betriebsräten gesetzlich vorgeschrieben und Verstöße dagegen sanktioniert werden sollten. Die stellvertretende Landesvorsitzende der NRW-SPD, Dörte Schall, verwies darauf, dass sich abhängig Beschäftigte und die Gewerkschaften verstärkt trauen sollten, ihre Rechte wahrzunehmen. Christophe Hassenforder, Betriebsratsvorsitzender und stellvertretender DGB-Kreisvorsitzender Bonn/Rhein-Sieg, skizzierte aus seiner Praxis, wie existenziell wichtig in seinem Betrieb der Betriebsrat ist. Denn seine Firma in Lohmar wurde verkauft und abgewickelt. Und dem Betriebsrat gelang es mit Unterstützung der IG Metall, die Beschäftigten sozial abzufedern. Der Bonner Rechtsanwalt Philip Stühler-Walter berichtete über verängstigte und verunsicherte Klienten, die gegenüber ihrem Chef die Absicht artikuliert hatten, einen Betriebsrat gründen zu wollen.
Das Betriebsverfassungsgesetz verfehlt bei der Gründung von Betriebsräten seine Wirkung. Das ist rechtsstaatlich äußerst bedenklich und leider verhalten sich Politik und Gewerkschaften bisher sehr zurückhaltend. Erschwerend kommen neue Herausforderungen hinzu, die einen Betriebsrat legitimieren. Dies sind die Digitalisierung und die Globalisierung, die beide fundamentale Veränderungen der Arbeitswelt zur Folge haben werden. Deshalb muss das Betriebsverfassungsgesetz bald novelliert werden. Denn die dramatische Zahl “9 Prozent”, nämlich der prozentuale Anteil von Firmen mit Betriebsräten, mahnt den Handlungszwang deutlich an.
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