Das Hauptmenü wird die Europawahl im nächsten Jahr. Die bayrische Landtagswahl ist nur die Vorspeise. Die CSU hat die Rezeptangaben getreulich eingehalten. Sich selbst schwächen durch Übernahme von Konkurrenten-Themen, Entsetzen (= Mobilisierung) bei Gegnern verbreiten. Ihre Schwester hat sie gleich mit geschwächt, Bayern ist ein grosses Bundesland.
In Kreisen der neoliberalen herrschenden Klasse ist mann darüber rechtschaffen verzweifelt. Wenn CDU/CSU und SPD als demokratische Herrschaftsinstrumente immer schwächer und untauglicher werden, muss mann sich strategisch und taktisch breiter aufstellen. Die FDP ist ja immer noch in Reserve, schifft aber in Umfragen derzeit ein bisschen ab. Da ist ja ausser Lindner auch nichts, was ernstgenommen wird. Der schmeisst sich schon mal maximal opportun an Macrons virtuelle Partei “En Marche” ran, die in Frankreich geschafft hat, wovon er in Deutschland nur träumt.
Die Telefonzellenpartei wird nicht reichen. Darum kümmert sich FAZ-Autor Pergande ausführlich um die Grünen, um sie seiner Leser*innen*schaft schon mal ein bisschen näherzubringen. Unabhängig von richtiger oder falscher Faktendarstellung über die grünen Innereien, die für Aussenstehende nebensächlich sind, ist sein Spin entscheidend: wenns mit anderen offensichtlich immer weniger geht, ist mit denen auch Staat zu machen. Für das Herrschaftssystem geht von denen keine Gefahr aus; im Gegenteil: sie könnten es stabilisieren, weil sie es modernisieren wollen.
Das wusste schon Frank Schirrmacher. Unter seiner Ressortleitung hatten Feuilleton-Mitarbeiter*innen den Auftrag, alle Indizien für Schwarz-Grün zu sammeln. Nach seinem Tod wurde die FAZ so blind, dass sie sogar gegen Merkel ins Feld zog. Manche lernen sehr langsam. Und spät.
Ein Problem wird dadurch jedenfalls nicht gelöst (und manche bei der FAZ sehen darin auch gar keins): das rechtsradikale Gespenst ist entkorkt. Es wir so nicht geschwächt. Rechte Fraktionen unserer Herrschenden finden so eine rechtsradikale Reserve sogar ganz praktisch. Sie würden es erst begreifen (wenn überhaupt), wenn es zu spät ist.
Eine linke Systemkritik ist nötig. Sowas darf nicht Rechtsradikalen überlassen bleiben. Und China auch nicht. Durch medienaffine Dramaturgien für virtuelle “Sammlungsbewegungen” wird sie nicht entstehen. Dafür wäre ein programmatischer öffentlicher gesellschaftlicher Diskurs erforderlich, im Idealfall unter Beteiligung von Linken und Liberalen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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