Polizeiliches Handeln wird kaum kontrolliert. Insbesondere dann, wenn Polizisten – ungerechtfertigt – Gewalt anwenden, sind sie an weiteren Zeugen nur selten interessiert. Wer sich einmischt, gerät schnell selbst in die Polizei und Justizmaschinerie von Beschuldigung und Bestrafung, etwa wegen Störung der Amtshandlung oder “Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte”. Um lästige Zuschauer los zu werden, nutzen die Beamten auch die Verhängung eines “Platzverweises”. Sind Polizeibeamte mal richtig in Fahrt, kann es auch schnell passieren, dass ihnen der Schlagstock auch gegenüber protestierenden Zeugen ausrutscht.

Risiko belangt zu werden ist gering – auch in Bonn

Dabei ist das Risiko für die Beamten, deshalb später belangt zu werden, denkbar gering. Der kriminologischen Fachliteratur zufolge gelangten etwa in Berlin über mehrere Jahre hin weniger als 2 Prozent der wegen Polizeigewalt erstatteten Anzeigen überhaupt vor Gericht. Besonders bei Großlagen, wie etwa im Hambacher Forst, oder beim G 20 Gipfel in Hamburg, gab es zahlreiche polizeiliche Gewaltexzesse. Aber auch in Bonn gibt es Beispiele aus jüngster Zeit. Breit berichtet wurde über den jüdischen Professor aus den USA, der wegen seiner Kippa im Bonner Hofgarten von arabischen Jugendlichen angegriffen und später von der von Zeugen des Überfalls herbeigerufenen Polizei gleich noch mal verprügelt wurde. Die Beamten hatten ihn, das Opfer für den Täter gehalten.
Der Bonner Journalist Marvin Oppong wurde nachts am Bertha-von-Suttner-Platz, Zeuge eines Verkehrsunfalls, in den eine Polizistin mit ihrem Dienstfahrzeug verwickelt war. Weil er ein Foto von dem Unfall machte, wurde er von Beamten gewaltsam zu Boden gebracht und geschlagen. Dumm nur, dass ein weiterer Journalist diesen Vorgang filmen konnte. Die Bilder waren später in der Aktuellen Stunde des WDR-TV zu bewundern.

Juristische Aufarbeitung fast unmöglich

Es gibt bisher keine Gremien, in denen solche Vorkommnisse in ausreichender Weise analysiert und vernünftig aufgearbeitet werden. Der auch in Bonn bestehende “Polizeibeirat” ist eher eine freundliche Kaffeerunde, in der die Polizei den dort vertretenen Mandatsträgern etwas über die Belastung durch Überstunden erzählt, als solche Thema aufzugreifen. Kritische Fragen werden in diesem Gremium selten gestellt.
Die juristische Aufarbeitung, insbesondere wenn es sich bei den prügelnden Polizisten um Mitglieder von Einsatzhundertschaften mit vollkommen einheitlicher Montur und Helmen mit Gesichtsschutz handelt, ist fast unmöglich. Kaum ein Gewaltopfer kann später einzelne Beamte identifizieren. Ein Grund, warum Kriminologen und Menschenrechtsorganisationen wie etwa das Deutsche Institut für Menschenrechte beides fordern: Eine Kennzeichnungspflicht für Beamte und Polizeibeauftragte, die als Beschwerdestelle agieren übrigens auch bei Polizei-internen Konflikten.
Mehr zu diesem Thema ist in Telepolis nachzulesen.

Forschungsprojekt “Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamte” an der Ruhruni Bochum

An der Ruhr-Universität Bochum wird derzeit ein Forschungsprojekt zum Thema „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamte“ durchgeführt. Im Herbst 2018 wird dazu eine bundesweite Online-Befragung von Opfern rechtswidriger Polizeigewalt stattfinden. Mit dieser Befragung sollen Betroffene aus allen Teilen der Gesellschaft erreicht werden.
Es ist höchste Zeit, dass es eine solche Untersuchung gibt, denn bisher gibt es kaum empirische Studien über Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamte. Das DFG-geförderte Projekt steht unter der Leitung von Prof. Dr. Tobias Singelnstein und hat zum Ziel, empirisch fundierte Aussagen über mögliches Fehlverhalten bei polizeilicher Gewaltausübung zu tätigen, und das Dunkelfeld des Deliktbereichs zu beleuchten. Das Projekt untersucht, welche Personen in welchen Situationen Opfer von rechtswidriger Polizeigewalt werden und welche Faktoren das Anzeigeverhalten der Betroffenen beeinflussen.
Erstmals in Deutschland wird hierzu eine Opferbefragung durchgeführt, deren Ergebnisse anschließend durch Interviews mit Expertinnen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen ergänzt werden. Das Projekt garantiert unabhängige Forschung, Anonymität der Teilnehmenden und keine Weitergabe von Daten an Dritte.
Im Herbst 2018 startet die Online-Umfrage zu rechtswidriger Polizeigewalt. Der Link zur Teilnahme wird dann hier veröffentlicht. Betroffene können sich außerdem hier melden.