Ich glaube Brinkhaus heisst der Mann – aus Westfalen, konservativ, solide, Finanzpolitiker. Bar jedes rhetorischen Feuerwerks und ohne eigenes Profil hat er heute der Kanzlerin und der staunenden Öffentlichkeit eine Überraschung bereitet, mit der seit 1973 niemand mehr gerechnet hatte: Der “Revolutionär”, der auftritt, als habe er einen Stock verschluckt, hat mit zehn Stimmen Mehrheit gegen Mama’s Liebling Volker Kauder gewonnen. Putsch, Aufstand, konservative Wende? Gute Freunde und langjährige Kenner der Union schätzen es eher so ein, dass mehrere Faktoren zur Abwahl Kauders geführt haben, die nicht unter dem Rubrum “Götterdämmerung der Kanzlerin” subsumiert werden können.
Da ist zum einen die Tatsache, dass ein Fraktionsvorsitzender, der dieses Amt seit dreizehn Jahren ausübt und dabei einer Vielzahl von Personen auf die Füße getreten ist, per se keine Wohlfühlgruppe um sich schart. Zum zweiten die, die ihm persönlich eins auswischen wollten. Da Kauder – im Gegensatz zu Merkel – weder über persönlichen Charme, noch einen nennenswerten Humor oder gar Unterhaltungsfaktor verfügt – Merkels Seehofer-Parodien sollen legendär sein – und seine Gegenkandidatur nicht ernst nahm, sondern als eine Art Majestätsbeleidigung abzutun dachte, hat er einen gewichtigen Anteil eigener Verantwortung für seine Abwahl. Drittens hat sich gegen Kauder als Merkels “treuem Paladin” ein Bündnis der sich persönlich nicht berücksichtigten, sowie der politisch nicht mit Merkels “Sozialdemokratisierung der Union” Einverstandenen, gebildet. Kurz gesagt, die Mittelstandvereinigung der Union und der jungrechte Flügel der Jens Spahn-Anhänger und Junge-Union Abenteurer, denen es nicht gefallen hat, dass Kauder ihnen möglicherweise gesagt hat, dass man mit Abgeordneten der AfD nicht Döner essen gehen sollte.
Wie die CSU das sieht, ist dabei nicht klar. Dobrindt wurde zwar wieder gewählt und Seehofer hat sich öffentlich und in der Fraktion für Kauder eingesetzt, aber wie sie gewählt haben, wissen nur sie selbst. Welche Loyalität Seehofer zur Kanzlerin aufbringt, hat er in den letzten Wochen Maaßen-Affäre hinreichend gezeigt. Wer glaubt, dass er nun in geheimer Wahl plötzlich anders gehandelt haben sollte, der glaubt auch an den Weihnachtsmann oder dass ein Wesen namens “Großer Arkelanfall” das Universum ausgehustet hat. Ob das heute ein Rechtsruck der Union war, der eine Kanzlerinnendämmerung ankündigt, ist nicht entschieden. Denn noch gibt es die in der CDU/CSU-Fraktion Leute, die Merkel und Kauder zwar einen Denkzettel verpassen wollten, aber das Ergebnis nicht wirklich gewollt hatten. Aber wie immer in der Politik sind sie für ihre Stimmabgabe verantwortlich. Die großen Ankündigungen der GRoKo, jetzt müsse man zur “Sacharbeit” zurückkehren, haben sich bisher als das erwiesen, was sie sind: inhaltsloses Wortgeklingel.
Tatsache ist: Die GroKo ist nicht in der Lage, die Schlüsselentscheidungen zu treffen, die historische Weichenstellungen erfordern. Rentenreform, Bodenreform, Spekulationsbekämpfung, Freiheitsrechte gegen die Digitalisierung sichern, Autokonzerne endlich zur Verantwortung ziehen, Einwanderung regeln und Rechtsextremismus ebenso wie soziale Schieflagen ernsthaft bekämpfen. Diese Koalition scheint bereits nach einem Jahr am Ende, verbraucht. Da mag im Koalitionsvertrag stehen, was wolle. Ein weiterer guter Freund und ebenso alter politischer Fahrensmann der CDU hat mich heute daran erinnert, dass Rainer Barzel, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, 1966 drei mal wiederholt hat: “Ludwig Erhard ist und bleibt unser Bundeskanzler”. Nachdem er das zum dritten Mal gesagt hat, war Erhard kein Bundeskanzler mehr.
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