Seit Jahren sind sich die meisten Bildungspolitiker einig, dass den Schulträgern und den Ländern und Kommunen die Mittel fehlen, um moderne Schulen zu bauen, marode zu sanieren, zeitgemäße und individuelle Förderung zu verwirklichen, geschweige denn neue Herausforderungen wie die vermehrte Vermittlung kultureller und sozialer Kompetenzen, IT-Grundkenntnisse und Anwendungswissen zu gewährleisten. Nicht zum ersten Mal haben alle Beteiligten feststellen müssen, dass das “Kooperationsverbot” von Bund und Ländern, das in seiner heutigen Form die Erfindung einer “GroKo” in der Verfassungsreformkommission ist, die einst Stoiber und Müntefering leiteten, einer Bildungspolitik der Vernunft entgegen steht. Also hat der Bundestag nicht nur einen “Digitalpakt mit fünf Milliarden Euro” beschlossen, sondern auch mit ganz großer Mehrheit unter Beteiligung der Grünen und der FDP eine Grundgesetzänderung beschlossen.
Dass der Bundesrat dem ebenfalls mit Zweidrittel-Mehrheit zustimmen muss, sollte allen Beteiligten klar gewesen sein. Um so erstaunter war ich über das Statement der Grünen Katrin Göring-Eckardt in den Nachrichten, das nach einer Art “öffentlichem Appell an den grünen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs” klang. Kretschmann, der gewohnt ist, als “Ministerpräsident aller Badener und Schwaben” und nicht nur als Grüner zu handeln, kann man so überhaupt nicht überzeugen. Dass das Schwarz-Grüne Hessen und Jamaika-Schleswig Holstein, das Schwarz-Gelbe NRW inzwischen Bedenken gegen die Grundgesetzänderung angemeldet haben, deutet darauf hin, dass es wohl nicht weit her ist mit der Kommunikation der Grünen und der FDP mit ihren jeweiligen Länderregierungen. Dass in NRW die liberale Gebauer für, die CDU aber gegen die Grundgesetzänderung sein sollen, macht es nicht besser, da reden sie wohl nicht mal in einer Regierung – oder Karliczek und Laschet – auch nicht in der NRW-CDU miteinander. Jeder, der sich in Koalitionen begibt, sollte doch wissen, dass bei Dissens über Fragen, die im Bundesrat entschieden werden, natürlich keine Zustimmung erfolgt. Da nun auch Söder seine Bedenken gegen die Grundgesetzänderung angemeldet hat, ist die zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat erst einmal flöten gegangen.
In der Sache ist der Schaden besonders für die Betroffenen, die Schüler und Eltern riesig. Denn fünf Milliarden für das marode Schulsystem sind kein Pappenstiel und sollten nicht im Streit um Kompetenzen versickern. Der ist so alt wie das Grundgesetz – schon zu Zeiten der sozialliberalen Koalition in den 70er Jahren forderte die F.D.P. mehr Bundeskompetenzen in der Bildungspolitik. Es wäre aber auch zu einfach, den Streit ausschließlich auf einen Hang zur Kleinstaaterei zurückzuführen. Auch die öffentliche Wahrnehmung in den Medien vermittelt derzeit viel zu kurz gegriffen schon wieder, es ginge beim “Digitalpakt” um die technische Ausstattung von Schulen mit WLan, Computern und Tablets – dem ist ausdrücklich nicht so. Es geht um die Verbesserung der Anwendungsfähigkeiten, um Kompetenzbildung bei Lehrerinnen und Lehrern, Vermittlung von Zusammenhängen, Datenschutz – in Zeiten der asozialen Netzwerke ein dringendes Grundbedürfnis von Schülern – und vieles andere mehr. Und in der Tat gibt es da Bundesländer, die technisch viel weiter sind, als andere und auf diese unterschiedlichen Bedürfnisse muss ein solcher Pakt Rücksicht nehmen. Wie auch eine Grundgesetzänderung Ländern keine Lasten für Programme aufbürden darf, die sie selbst nicht mit tragen oder beeinflussen können. Darüber muss man schon mal länger als nur 20 Sekunden berichten, liebe Nachrichtenmacher bei ARD und ZDF! Aber zurück zur Kommunikation in der Politik:
Hier ist offensichtlich im Vorfeld der Verfassungsänderung nicht genügend kommuniziert worden. Was lernen wir daraus? Es nützt nichts, modernste Technik wie Smartphones, Tablets und schnelles Netz einzuführen, wenn diejenigen, die miteinander sprechen müssen, das nicht tun. Twitter-gesimse, Facebook- und Instagram-gebrabbel, allseitige internet-Selbstdarstellung und -bespiegelung von mehr oder weniger wichtigen Abgeordneten und Regierungsmitgliedern haben mit echtem Zwiegespräch eben nichts zu tun. Es mangelt offensichtlich denjenigen, die am lautesten nach neuer Technik schreien, an der Fähigkeit, intern, gezielt und mit den richtigen Adressaten verantwortungsbewußt zu kommunizieren. Einfach mal wieder telefonieren oder noch besser: Von Angesichts zu Angesicht miteinander sprechen und zuhören, verhandeln – vielleicht sogar einen Brief mit den wesentlichen Formulierungen einer Gesetzesänderung schreiben – kann helfen. Insofern brauchen die Akteure des Digitalpakts möglicherweise einen eigenen Kommunikations-Nachhilfepakt. Das nennt man auch “Regierungskunst” und davon war in Sachen Grundgesetzänderung bisher nicht viel zu sehen.
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