Erfreulicherweise kommt es bei der aktuellen Frauen-WM nur noch selten vor, dass Kantersiege geschehen, wie beim 13:0 der innenpolitisch aufgeputschten US-Frauen gegen Thailand. Die “Kleinen” gewinnen zwar noch nicht, aber sie gehen auch nicht mehr unter. Im Gegenteil, sie erweisen sich als gefährlich. Und mit ein bisschen mehr Routine hätten sie das eine oder andere Favoritinnenteam stürzen können. Ich denke z.B. an China (gegen Deutschland), an Südafrika (gegen Spanien “verpfiffen” worden) oder Jamaika (gegen Brasilien). Den Frauen ist anzusehen, dass sie die Chance ihres Lebens sehen und kraftvoll zupacken wollen. Die Teams zerfallen nicht, sondern sind bis zum Schlusspfiff füreinander da. Und das, wie Alina Schwermer/taz am Beispiel der Nigerianerin Asisat Oshoala beschreibt unter unfasssbaren Bedingungen. Viel Luft nach oben für #metoo.
Die deutsche Journalistenmännermeute ist mehrheitlich schlechtgelaunt. Gewohnt, dass “wir” immer alles gewinnen, können sie es nicht fassen, dass auch in anderen Ländern der Welt starker Fußball gelernt und gespielt wird. Alles unter 3(oder mehr):0(oder weniger) ist ein Zeichen für schlecht, für Krise, für Auswechsel- und Sturzforderungen. Wie sonst sollen sie das Medienkarussell kreisen lassen? Zwei Einszunulls – sowas hässliches macht doch immer nur Italien. Und jetzt Frauen, deutsche? Was daran ist sexy? Tja Jungs, Ihr müsst jetzt ganz stark sein: im Fußball geht es gar nicht um Sexyness! Entscheidend is auf’m Platz, das Runde muss in das Eckige, erinnert Ihr Euch? Die Bundestrainerin hat – bisher – das Kunststück geschafft, aus einer missgelaunten wieder eine zusammgewachsene, lernende Organisation zu formen. Die ästhetisch wenig ansprechende Methode gegen starke Gegnerinnen (China mit Härte und Kampf, Spanien mit weiterentwickelter Technik) zum Erfolg zu kämpfen, hat das Zeug, dass daraus eine starke Turnierfrauschaft wächst und Tag für Tag stärker wird. Turniere werden immer am Ende gewonnen – wenn frau nicht vorher rausfliegt.
Update nachmittags: der Blick in das einstige Fußballfachblatt Express schockierte mich. Sportteil 1. Seite – nichts zur WM. Sportteil 2. Seite – immer noch nichts zur WM. Sportteil 3. Seite – endlich ein Spielbericht. Sportteil 4. Seite – WM-Berichterstattung schon wieder vorbei. Wie arm ist das denn? Weil Frauen Zeitungen mit so wenig Buchstaben sowieso nicht mit der Kneifzange anfassen?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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