Eine Maut für Ausländer – das war von Anfang an die Grundidee der CSU für die PKW-Maut. Obwohl nur 6% der Automobilisten in Deutschland überhaupt Fahrer*innen ausländischer PKW sind, sollte eine dumpfbackige Stammtischidee von Horst Seehofer um jeden Preis durchgesetzt werden. Er und die CSU terrorisierten quasi die Koalitionsverhandlungen der GroKo mit ihrer fremdenfeindlichen Maut. Seehofer machte sie zum Knackpunkt, was Kopfschütteln nicht nur bei der SPD, sondern auch in weiten Teilen der CDU auslöste. Insbesondere bei Armin Laschet, Ministerpräsident eines weltoffenen Bundeslandes mit gutnachbarlichen Beziehungen zu den Niederlanden und Belgien, sowie bei AKK, deren Saarland an Frankreich und Luxemburg grenzt. Wider jede Vernunft hat Seehofer dieses Ungesetz mit dem Bayernschädel durch die Wand geschlagen. Jetzt hat der Europäische Gerichtshof sein unsinniges und unseliges Treiben beendet.
Ein Gesetz dumpfer Ressentiments
Von vornherein war klar, dass ein Gesetzentwurf, der in ausländerfeindlicher Weise darauf abzielt, lediglich die “Ausländer” zur Kasse für die Autobahnbenutzung zu bitten, aus Gründen der Gleichbehandlung und Gleichheit vor dem Gesetz gegen die Verfassung verstoßen würde. Also versuchten es Seehofer und sein Zauberlehrling Scheuer mit einem “von hinten durch die kalte Küche” Gesetz, das die Maut, wie in der Schweiz oder Österreich, von allen Autofahrer*innen erhebt, aber hintenrum den Deutschen die Maut in gleicher Höhe im Wege der Reduzierung der PKW-Steuer wieder erstattet. Windige Rechtsgutachten und zweifelhafte Bundestags- und Bundesratsdebatten später wurde allzeit klar, worum es hier eigentlich ging: den dumpfen Parolen der Stammtische und der AfD nachzugeben und “endlich mal was gegen die Ausländer” zu beschließen, die “ohne zu zahlen unsere Autobahnen benutzen.”
Stimme der Stammtische
Die einem modernen Europa unwürdigen und der gelebten Gemeinsamkeit im Schengen-Raum ins Gesicht schlagenden PKW-Maut für Ausländer rekuriert auf eine uralte Tradition. Manche erinnern noch deren Ursprung: als das Wirtschaftswunder in den 60er Jahren die Autobahnen in Deutschland schier unbeschränkt wachsen ließ, (was übrigens bis heute mit Enteignungen nach Art. 14 GG einhergeht), begannen nicht nur die Deutschen ihre Volkswagen gen Italien zu bewegen, sondern auch Niederländer und Belgier machten sich in Scharen auf, die Autobahnen A1, A4, A3, A9 ohne und vor allem mit ihren Wohnwagen, zu erobern. Ich kann mich gut erinnern, dass meine Eltern zwar von Köln aus gerne mal nach “Holland” fuhren, um dort Kaffee, Geflügel oder Zigaretten billig einzukaufen oder auch zu schmuggeln. Sich trotzdem aber über “die Holländer” mokierten, die angeblich nur “bei uns” nach Italien, Österreich und Frankreich durchfuhren, die Raststätten vermüllten, weil sie angeblich “nur aus Dosen” lebten und erst “in Österreich wieder tankten”. Obwohl das bei den damaligen Vehikeln schon aufgrund des hohen Benzinverbrauchs völlig unmöglich war. Derartig antieuropäischer Chauvinismus gepaart mit von den durch Flüchtlingshetze der AfD angefachten Ressentiments verführte offensichtlich die CSU dazu, ein letztlich rassistisch motiviertes Gesetz durchzudrücken.
Seehofers Milliardendesaster
Nun stehen Seehofer, Scheuer und Co. vor einem Scherbenhaufen. Er ist verdient, denn sie haben sich gegen jede Vernunft und gegen jeden guten Rat auch von Koalitionspartnern in ihr Ziel verbissen. Aber es ist nicht nur eine politische Niederlage für diese Art chauvinistischer Politik, es ist auch ein Desaster von Polit-Hasardeuren, die hunderte von Millionen Steuergelder ihn ihre grund- und freiheitsrechtswidrigen Eskapaden versenkt haben. Eine halbe Milliarde Euro hat die PKW-Maut bisher schon gekostet, obwohl ihr von vornherein prognostiziert wurde, dass Aufwand und Nutzen in keinem sinnvollen Verhältnis stehen. Darüber hinaus drohen nun Schadenersatzklagen von Unternehmen, an die in dreistelliger Millionenhöhe bereits Aufträge zur Mauterhebung vergeben wurden, die nun nicht kommen kann und kommen wird. Er würde das Urteil nicht verstehen, sagte heute Innenminister Seehofer, als er zum Urteil des EuGH befragt wurde.
Geordnete Rückkehr zur Modelleisenbahn
Vielleicht versteht er das: Es ist für die Mehrheit der Demokraten in diesem Land unverständlich, dass Seehofer, der ohnehin ein angespanntes Verhältnis zur Verfassung hat – siehe das “geordnete-Rückkehr-Gesetz” – nicht schon lange zurückgetreten ist. Es ist nun unumgänglich, dass er endlich geordnet zu seiner Modelleisenbahn im heimischen Keller zurückkehrt und zurücktritt. Aber der Zustand dieser Koalition lässt nicht vermuten, dass jemand die Kraft hat, ihm zu zeigen, wo die Tür zum Ausgang aus dem Kabinett ist. Weder Merkel – und schon gar nicht die SPD.
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