Die Wahrscheinlichkeit, dass es noch in diesem Jahr einen Krieg im Nahen Osten gegen den Iran geben könnte, ist groß. Die USA werden jedoch vermutlich an diesem Krieg nicht oder nur indirekt als Waffen- und vor allem als Datenlieferant beteiligt sein. Donald Trump wird deshalb seinen Wahlkampf gewinnen und möglicherweise auch der 46. Präsident der USA werden. Woher ich das weiss? Meine Tochter und ich haben das am Freitag nachmittag beim Kaffee ausgerechnet. Natürlich ist das Spekulation. Aber ist es auch abwegig? Natürlich geht die Geschichte zurück auf einen jüdischen Witz des 19. Jahrhunderts – zwei treffen sich im Zugabteil, der eine behauptet, er sei kein Holzhändler und reise nicht nach Lemberg und der andere weist ihm nach, dass es doch genau so ist. Auf die Frage, woher er das wisse, antwortet der: “Das habe ich mir ausgerechnet!” (und erklärt es dann.) Was aber haben wir ausgrechnet?
Donald Trump will das Regime im Iran vernichten bzw. austauschen. Da er nicht den Weg des Westens und seines Vorgängers Obama – des Iran-Atomabkommens – gehen will, hat er das Iran-Abkommen einseitig gekündigt und durch eine agressive Strategie ersetzt. Dabei kann er auf seine Handlanger im Weißen Haus zählen. Sie lehnen das Abkommen ab, das in der Tradition der Strategie des “Wandels durch Annäherung”, des Frieden und der Demokratisierung durch Handel und Austausch steht, obwohl der schon einmal – wenn auch nach Jahren 1989 – zum ökonomischen Zusammenbruch eines Systems bei gleichzeitiger Emanzipation der BürgerInnen geführt hat. Diese Geduld hat Trump nicht.
Aber Trump will auch keinen (eigenen) Krieg. Denn er hat 2017 versprochen, die US-Truppen nach Hause zu holen, keine Kriege mehr zu führen – auch seine republikanische Wählerbasis ist kriegsmüde. Was also liegt näher, dass andere diese Kriege führen und die USA nur großzügig brüderliche Hilfe leisten? Trump hat das wahabitische Regime, insbesondere den jungen Mörder-Prinzen Mohamed Bin Salman von Saudi-Arabien mit Waffen in Höhe von 100 Milliarden Dollar aufgerüstet bzw. ist noch dabei, dies zu tun. In Israel ist der korrupte Rechtsextremist Netanjahu, der schon lange als “Falke” agiert, Siedlungspolitik vorantreibt und die Zwei-Staaten-Politik unterläuft, bester Freund der USA. Schon lange fordert der unter anderem Präventivschläge gegen Hisb’allah und den sie unterstützenden Iran. Ihm hat Trump durch die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem quasi einen Freibrief erteilt. Anders als in den 70er Jahren, als die Saudis noch Jassir Arafat und seine Al Fatah unterstützten, gibt es heute zwischen Israel und Saudi-Arabien eine Art unausgesprochenes Stillhalteabkommen. Aber das bedeutet noch nicht, dass das Ziel von 1948 “werft sie ins Meer” gegenüber den Israelis auch von den Saudis langfristig aufgegeben ist. Aber auch das ist Trump völlig egal.
Er liefert beiden Nationen Waffen. Darüber hinaus verfügen die Vereinigten Staaten über jede Menge modernster Provokations- und Angriffswaffen, die sie in der Region derzeit erproben. Provokationswaffen sind etwa Drohnen, die in oder über feindliche Lufträume eindringen und Bilder liefern sollen. Sie sind ein Exportschlager und die Informationen, die sie liefern, indem sie den Weltraum, den Luftraum, den Boden und die See überwachen, machen sie zu einem Dauerpartner mit Schlüsselkompetenzen für jeden, der in der Region politische Probleme wie den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten mit Gewalt lösen möchte. Wenn also Stellvertreter einen Krieg gegen den Iran führen, wäre dies durchaus im Interesse von Donald Trump. Er könnte sich sogar leisten, zu demonstrieren und zu unterstreichen, wie friedlich seine Absichten eigentlich sind. Was er am Wochenende auch getan hat.
Was also läge näher, als eine Strategie, bei der sich die USA aus einem Konflikt selbst heraushalten, aber im Vorfeld alles dazu beitragen, dass es “eindeutige Beweise” gibt, wie etwa die angeblichen Angriffe auf Tanker in der Straße von Hormus? Nun macht es auch Sinn, wenn Trump einen angeblich bereits angeordneten Angriff in letzter Minute angeblich absagt und sich damit selbst zum Friedensengel und Verhandlungsbefürworter hochstilisiert hat? Eine Position, in der er jederzeit einem “uneinsichtigen” Iran vorwerfen kann, aggressiv zu handeln, in dem ihm alle Möglichkeiten der Zuspitzung zur Verfügung stehen, um den Krieg durch andere führen zu lassen? Es wäre ein Irrtum, die Verhandlungsangebote Trumps – “auch der Iran will keinen Krieg” außenpolitisch als ein Signal an den Iran zu interpretieren. Der Iran ist Trump völlig gleichgültig – es ist ein Signal an seine Wähler in den USA, die keinen Krieg wollen und ihn für einen tollen Strategen halten sollen.
Was spricht noch dafür, dass Trump einen Krieg provozieren könnte? Schon jetzt ist der Ölpreis aufgrund des Konflikts und der Vorkommnisse in der Straße von Hormus gestiegen. Das gefällt den USA, die größter Fracking-Gas und Fracking-Ölproduzent der Welt geworden sind. Das Gas wollen sie verkaufen, das Öl selbst verbrauchen. Beides rechnet sich um so besser, als der Ölpreis für Nahost-Öl in die Höhe schießt. Das schadet vor allem den Volkswirtschaften in Europa, China, Indien und in Afrika, die auf Öl aus arabischer Produktion nach wie vor angewiesen sind. Und es nützt den USA und der Regierung Trump im Wirtschaftskrieg gegen Europa und Asien sowie gegen Russland. Schade Europa und “make America Great again”. Nein, es ist keineswegs so, wie die Demokraten Trump vorwerfen, er habe keine Konzeption in der Außenpolitik. Er hat sie längst und baut seinen Wirtschaftskrieg systematisch aus. Europa macht nicht den Eindruck, das zu bemerken und wirksame Gegenstrategien zu entwickeln.
So gesehen ist alles erschreckend rational, was Trump derzeit macht. Er arbeitet zielgerichtet auf alles hin, was zu Hause seine Wiederwahl sichert. Alles andere interessiert nicht. Trump first, Republicans first, America first. So einfach und auf perverse Weise genial ist seine Strategie. Und er wird dabei von vielen seiner Gegner unterschätzt. Auch vom Iran und der EU. Der Iran unterschätzt seine Aggressionsbereitschaft. Europa wäre als nahe Umgebung, in der das alles stattfindet und die von einem Krieg und einer damit verbundenen Öl-, Flüchtlings- und Wirtschaftskrise am direktesten betroffen wäre, höchst verwundbar und die Verliererin. Ökonomisch und politisch plus Destabilisierung der gesamten Region im Süden der EU. Das könnte Trumps Plan sein. Der wäre teuflisch, aber er macht in sich Sinn – und war deshalb nicht schwer auszurechnen.
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