Die Debatte um das Jüdische Museum in Berlin geht weit über die dortige Kommunalpolitik hinaus. Nach meinem Eindruck wird hier eine Abwandlung der Leitkuiturdebatte ausgetragen. Auf sehr deutsche Art und Weise soll ein für allemal geklärt werden: “was ist jüdisch?” Und wer die Autorität hat, darüber zu bestimmen. Was in der Politik funktionieren mag, über Machtkämpfe und Abstimmungen, funktioniert in der Wirklichkeit annähernd demokratischer Gesellschaften nicht. Denn es gibt keine Leitkultur. Sondern Diversität, Meinungsvielfalt und -streit, und das überall.
Es gibt Stimmen der Vernunft in diesem Gelärme:
Micha Brumlik
Micha Brumlik lernte ich zuerst in den 80ern als Frankfurter Grünen-Realo kennen. Als einen, der nicht immer nach Joseph Fischers und Hubsi Kleinerts Pfeife tanzte, sondern auf eigenen Meinungen bestand – das ist so geblieben. Niemals vergessen werde ich ihm, dass er in den 90ern, als die SPD-Bosse Björn Engholm und Oskar Lafontaine das Grundrecht auf Asyl an Helmut Kohl und Ede Zimmernann wegschenkten, einen grundvernünftigen taz-Leitartikel (online finde ich ihn nicht) veröffentlichte, der die letzte grosse Bonner Hofgarten-Demo auslöste. Brumliks Text war damals der Auslöser für den politischen Prozess, der die Demo-Veranstalter*innen zusammenbrachte, zur Verteidigung des Asylrechts gegen die Vorboten der nächsten Grossen Koalition – noch vor dem rotgrünen Intermezzo (1998-2005). Zum Streit um das Jüdische Museum fand Brumlik diese deutlichen Worte.
Eva Illouz
Eva Illouz ist für mich eine weltweit führende Expertin der Liebe. Das ist ihr zentrales Forschungs- und Publikationssujet. Aber sie ist als israelische Bürgerin auch politisches Subjekt und äussert sich hier in einem schriftlichen Interview mit der FR.
Paula-Irene Villa zu Klaus Theweleit
Klaus Theweleit, der bis heute vom (berechtigten) Ruhm seiner “Männerphantasien” zehrt, bekam am Sonntag in der FAS über eine Druckseite eingeräumt, um den aus seiner Sicht aufkommenden “Antifeminismus” zu beschreiben. Der Text wurde bis heute nicht online gestellt. Extradienst-Gastautor Dieter Bott meint, Theweleit leide unter einer Beißhemmung gegenüber dem Fußball, weil sein Sohn Daniel als Fußball-Journalist davon lebe. Die Beißhemmung des Seniors sehe ich auch, vermute allerdings, dass sie weniger mit Daniel, und mehr mit dem Freiburger Mikrokosmos zu tun hat. Dort halten sie sich für eine ökolibertäre Insel im Meer des Kapitalismus. Und haben den Grünen-OB sogar schon abgewählt. Und haben immer noch den Christian Streich, der dort einen Status hat, wie Jürgen Klopp zuvor in Mainz, Dortmund und jetzt Liverpool. Aber ich schweife ab. Theweleit Text wird hier exzellent in einem DLF-Interview mit Paula-Irene Villa kritisch besprochen. Danach brauchen Sie keine FAZ mehr.
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