Wer die Straße von Hormus sichern will, muss sich um ein UN-Mandat bemühen. Denn ohne russische Zustimmung ist ein Militäreinsatz noch gefährlicher für den Weltfrieden, als er es ohnehin wäre
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Staatengemeinschaft eine neue Institution geschaffen, die Älteren unter uns haben vielleicht schon einmal von ihr gehört. Man nannte sie Vereinte Nationen. Heute ist kaum noch von ihr die Rede, was betrüblich ist. Denn für bestimmte Aufgaben – wie beispielsweise die Sicherung von Handelswegen – wäre sie vorzüglich geeignet.

Genug des Spotts. Es ist bezeichnend für den Bedeutungsverlust der UNO, dass bei der Diskussion über einen internationalen Militäreinsatz in der Straße von Hormus von ihr überhaupt nicht die Rede gewesen ist. Der Grund dafür liegt ja auch auf der Hand: Wer sie ins Spiel bringt, setzt sich dem Verdacht der Naivität aus. Es sei doch ohnehin klar, so der vorhersehbare Einwand, dass Russland gegen eine solche Mission im Weltsicherheitsrat ein Veto einlegen würde, jeder Versuch, eine Einigung in diesem Gremium zu erzwingen, müsse scheitern. Und dann sei die Lage noch verfahrener als vorher.

Die Voraussetzung für jegliche Form der internationalen Diplomatie

Nun ist unbestreitbar, dass die UNO sich in den letzten Jahren immer wieder selbst gelähmt hat, weil die einzelnen Staaten eben nicht plötzlich aufhören, eigene Interessen zu verfolgen, nur weil sie Mitglied einer internationalen Institution sind. Daran wird sich auch nichts ändern, das sind die Gegebenheiten, von denen auszugehen ist. Aber das macht das Ringen um eine Einigung ja nicht weniger notwendig, im Gegenteil. Denn ohne die Zustimmung oder zumindest die Duldung Russlands ist ein Militäreinsatz in der Straße von Hormus noch gefährlicher für den Weltfrieden, als er es ohnehin wäre.

Das einzusehen bedeutet nicht, die menschenverachtende Politik des russischen Diktators Putin in der Region zu billigen. Es ist lediglich die Anerkennung der realen Machtverhältnisse dort und andernorts auf der Welt, anders ausgedrückt: die Voraussetzung für jegliche Form der internationalen Diplomatie. Schöner ist eine friedliche Koexistenz mit Staatschefs, mit denen man privat nicht einmal einen Kaffee trinken möchte, nicht zu haben. Die Alternative ist Krieg.

Das Problem mit allen Militäreinsätzen entsteht da, wo etwas schiefgeht. Das gilt auch für eine rein europäische Mission. Der Vorschlag klingt so nett und friedlich. Aber es ist davon auszugehen, dass die Vereinigten Staaten ebenfalls in der Straße von Hormus unterwegs sein werden. Was, wenn die USA auf eine – vermeintliche oder reale – Provokation seitens des Iran hin über­reagieren? Wenn es tatsächlich knallt? Was tun dann die netten und friedlichen Europäer? Fallen sie ihrem Nato-Verbündeten in den Arm? Und falls ja – so unvorstellbar das auch erscheint –: auf welcher internationalen Rechtsgrundlage? Nein, wer die Straße von Hormus sichern will, muss sich um ein UN-Mandat bemühen.

Lustig ist an dieser Situation nichts – na ja, fast nichts. Was sich in Berlin abgespielt hat, war schon komisch. Da die Bundeskanzlerin in Urlaub weilt, fühlten sich alle möglichen Leute aufgerufen, die Richtlinienkompetenz an sich zu reißen und die Strategie der bedeutenden Seemacht Deutschland zu erläutern. Bei der Verteidigungsministerin und dem Außenminister wirkte das noch nachvollziehbar. Aber dann kam plötzlich der Finanzminister um die Ecke – was hat denn Olaf Scholz mit dem Thema zu tun? Ach, richtig, er ist ja Vizekanzler. Und hielt dies offenbar für eine gute Gelegenheit, sich mal in Stellung zu bringen. Da hat jemand seinen Anspruch auf die Kanzlerkandidatur angemeldet. So ernst kann eine Situation gar nicht sein, dass jemand von der SPD einen nicht trotzdem noch zum Lachen bringt.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag. Die Autorin ist für morgen 12 h als Teilnehmerin im ARD-Presseclub angekündigt.

Über Bettina Gaus:

Bettina Gauss ( † ) war politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Ihre Beiträge sind Übernahmen von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag.