Angela Merkel ist Stammgast in China – das ist nicht schlecht, Entspannungspolitik ist richtig und die Gestaltung von Wirtschaftsbeziehungen auch. Aber was Angela Merkel diesmal erleben durfte, wirft ein zweifelhaftes Licht auf ein China, das weiss, dass die USA von einem antidemokratischen Despoten regiert wird, der es mit der Demokratie nicht so ernst nimmt. Die in China akkreditierten deutschen Journalist*innen durften nicht ohne Einschränkungen zum Staatsbesuch Merkels kommen, es gab Verbote. Der chinesische Ministerpräsident äußerte sich mit unverhohlenen Drohungen gegenüber der Demokratiebewegung in Hongkong. Und die Nachrichten darüber, dass Unternehmen, die in chinesischem Besitz oder unter chinesischer Beteiligung arbeiten, gezwungen werden, zensierte Öffentlichkeitsarbeit im Sinne des despotischen Regimes in Beijing zu betreiben, häufen sich.
Zahlreiche Unternehmer in Deutschland und in Europa haben in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten durchaus damit geliebäugelt, dass sich in China eine Art autoritärer Kapitalismus entwickelt hat, der gänzlich auf Demokratie, Mit- und Selbstbestimmung verzichtet und unter den Bedingungen eines autoritären Staates nahezu unbegrenzte Profite garantiert. Sie sollten sich keine Illusionen über das chinesische System des Überwachungsstaates machen. Katika Kühnreich hat über ein Jahr in China gelebt und die Entwicklung des chinesischen Social Rating System genau beobachtet. Kein Unternehmen, das mit China kooperiert oder von chinesischem Kapital mehrheitlich beherrscht wird, sollte sich Illusionen machen, davon in Zukunft nicht betroffen zu sein.
Darüber hinaus haben deutsche Mittelständler immer wieder die Erfahrung gemacht, dass chinesische Gesetze extrem mittelstandfeindlich oder rücksichtslos gegen KMU wirken, weil sie z.B. diktieren, dass Personalmitarbeiter (HR) ausschließlich Chinesen sein dürfen, dass Mindestinvestitionen von 150.000 € und mehr, vorgeschriebene Gehaltssteigerungen in Businessplänen von jährlich 8% oder ähnliche Absurditäten der gelenkten Wirtschaft als verbindlich vorausgesetzt werden, denn der Staat ist spendabel, aber allgegenwärtig. Die Geschichte des Liberalismus setzt voraus, dass freier Kapitalverkehr einerseits, Bürgerrechte und Rechtstaatlichkeit andererseits zwei Seiten einer Medaille sind. China sieht das nicht so. Dass das Donald Trump genauso sieht, kann kein Trost, keine Entschuldigung dafür sein, sondern muß Deutschland und die EU um so heftiger auf den Plan rufen.
Nein, es geht nicht (nur) um kurzfristiges China-Bashing wegen Hongkong. Wenn die EU sich nicht klar gegen Diktatur und Rechtsstaatsabbau zur Wehr setzt, wird sie jede Glaubwürdigkeit, die Demokratie zu verteidigen, verlieren. Das werden Viktor Orban, Mattheo Salvini, Marine Le Pen und Boris Johnson mit stiller Freude zur Kenntnis nehmen. Es wird aber vor allem die Möglichkeiten der Unternehmen, sich gegen Übergriffe der chinesischen Behörden zur Wehr zu setzen, ganz wesentlich schwächen und zwar nicht nur auf chinesischem Boden, sondern auch hier und jetzt und in Deutschland oder innerhalb der EU. Das ist rechtstaatlich nicht hinzunehmen, ein Angriff auf die europäische Grundrechtscharta und die nationalen Verfassungen muss abgewehrt werden und ist ein Angriff auf unsere Freiheitsrechte.
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