Kühlschränke mit eingebauten Kameras, die den Inhalt zeigen, Kameras im Backofen, die zeigen, ob der Braten braun genug ist, Kühlschränke, die selber Milch nachbestellen, und alles am liebsten verbunden mit den Sprachassistenten der Datenkraken Alexa, Siri oder Google – das sind die angeblichen “Hits” der Internationalen Funkausstellung IFA in Berlin. Viel unnötiger digitaler Schnickschnack, der allerdings mehr ist, als reine Spielerei: Wofür bitte brauche ich einen Trockner, der mit der Waschmaschine über Internet kommuniziert – vermutlich, damit sie sich darüber austauschen, welche Farbe meine T-Shirts haben? Eher aus einem anderen Grund: Damit Datenkraken und Datenwegelagerer einen Weg finden, an Informationen über mich und meine Gewohnheiten zu kommen.
Klar es mag ja bequem sein, wenn ich mit der APP auf dem Sofa sitzen bleiben kann, um mir den Gargrat des Kuchens zu betrachten, während die Formel 1 läuft. Aufstehen und in der Küche nachsehen, wäre aber allemal gesünder. Was aber soll es, wenn ich “Alexa” (die mir sowieso nicht ins Haus käme) befehle, die Backofentür zu öffnen, wie der Mann von Siemens stolz präsentierte? Ich muss doch sowieso hingehen und was rein- oder raustun und schließen der Tür ist aus Sicherheitsgründen nicht zulässig – eine reine Lachnummer! Nein, ein Vorwand, damit Amazon weiss, was ich wann im Backofen zubereite. Genauso die lächerlichen APPs, mit denen ich meiner Haustür sagen kann, dass ich komme, bevor ich da bin, damit sie das Licht einschalten und Nachbarn wie Einbrecher genau sehen können, wann jemand zu Hause ist. Dann brauche ich natürlich Überwachungsanlagen und die liefert gerne Google – um mehr über mich und meine Besucher zu erfahren. In USA macht Google sogar dem Paketboten die Tür auf.
Natürlich wäre es schön, wenn meine Waschmaschine wäscht, wenn der Strom billig oder viel im Netz ist – aber ob dafür das E-Werk wissen muss, was ich wann wasche, bezweifle ich und wenn meine Tochter ihre Trainingshose morgen früh für den Sport braucht, kann ich auch nicht einfach warten, wann ich denn billig waschen darf. Viele digitale Spielchen, um die schöne neue Überwachungswelt zu verwirklichen. Wenn ich dann das “Smart Home” verlasse, werde ich von den schönen neuen Multifunktions-Straßenlaternen, die E-Ladesäule, Videoüberwachung, Richtmikrofon, Lautsprecher und Bewegungsmelder in einem Teil vereinen, durch die schöne “Smart City” geleitet, Schritt für Schritt überwacht und möglicherweise aufgezeichnet. Der E-Roller oder das Mietfahrrad zeichnet meinen Fahrweg auf und bilden ein Bewegungsbild daraus, aus dem meine Einkaufsgewohnheiten reproduzierbar sind. Die Karte des ÖPNV – hier in Bonn die SWB – zeichnet ebenfalls meine Nutzungen auf und speichert sie.
Auch im Schlaf geben die Datenkraken keine Ruhe. Fitnesstracker mit der “gesunde Schlaf”-Funktion messen meine Körperfunktionen und speichern sie zentral, einige Hersteller verkaufen diese Daten – mehr oder weniger anonymisiert – an Forschung oder Gesundheitsindustrie. Besonders meine Krankenversicherung interessiert sich neuerdings für solche Daten, um mir “Gesundheitsboni” anzubieten bzw. die Gesunden von den weniger Gesunden zu trennen. Es liegt im Trend, das Solidaritätsprinzip zu durchbrechen, wie es bei der KfZ-Haftpflicht mit Tarifen, die den Fahrstil speichern, schon üblich ist.
Nein, ich will die Digitalisierung nicht aufhalten, aber die Grundrechte schützen. Die Datenschutzgrundverordnung bietet einen gewissen Schutz, aber es fehlt ein Rechtsrahmen für die Ausgestaltung von Privacy by Design, der Hersteller dazu zwingt, dass sie in ihren Geräten den Kundinnen und Kunden transparent machen, welche Daten erhoben werden und ihnen Wahlmöglichkeiten anzubieten, ob und wie viele Daten sie liefern wollen oder nicht. Die Elektrogeräte der IFA haben überwiegend noch nicht einmal eine Abschalteinrichtung für Datenklau. Das hat mit informationeller Selbstbestimmung nichts mehr zu tun. Die Politik der Bundesregierung ignoriert diesen Bereich der Digitalisierung weitgehend. Sie setzt in blinder Technikgläubigkeit auf Digitalisierungszwang. Sie hat auf drei IT-Gipfeln versucht, den Datenschutz durch den Begriff “Datensouveränität” zu ersetzen – im Interesse der Wirtschaftslobby. Und in den Schulen lernen Kinder und Jugendliche auch nur selten, ihre Daten zu schützen. Das muss sich künftig ändern.
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