Die Inszenierung “harter” Verhandlungen und Konflikte durch die sog. Grosse Koalition interessiert vielleicht die Bühnenarbeiter*innen rund um das Kanzleramt – das Publikum hier draussen eher nicht. Denn es ist den meisten jetzt schon klar, was alles nicht passieren wird, solange es von diesen Akteur*inn*en abhängt.
1. Die Macht der Energiemonopolkonzerne wird nicht angekratzt. Sie darf auf keinen Fall auf dezentrale Bürger*innen*projekte übergehen. Auch Wind- oder Solarprojekte müssen grossindustriell bleiben und gedacht werden, um die Interessen der jetzigen Machthaber*innen zu wahren.
2. Das chemiebasierte agroindustrielle Prinzip exportorientierter Landwirtschaft wird nicht angetastet. Ein bisschen mehr Förderung für Ökolandwirtschaft mag ja sein. Hauptsache die Bodenspekulation bleibt erhalten und die Exportchancen für Massentierschlachtung und grossagrarische Flächen werden verbessert. Dann juckt es auch niemanden, wenn die wenigen Deutschen ein paar Schnitzel weniger fressen – entscheidend ist die Eroberung der zukünftigen Riesen-Wachstumsmärkte in Asien, Afrika und Lateinamerika. Wer dagegen einschreiten will, bekommt es mit dieser Regierung zu tun.
3. Der Individualverkehr soll erhalten und gerettet werden. Mag ja sein, dass das Auto elektrifiziert werden muss. Hauptsache, die Energiekonzerne (s.1.) sind die, die den Strom liefern. Und Hauptsache, der Deutsche bleibt in der Blech- und Stahlkiste mit sich allein, und kann dort von den Daten-Grosskonzernen bespielt und gefangen gehalten werden. In öffentlichem Kollektivverkehr besteht immer das Risiko unkontrollierbarer kollektiver sozialer Prozesse. Für die sind Kameraüberwachungen und Gesichtserkennung die richtige Medizin. Dem Autofahrer kann die direkt und individuell verabreicht werden. Auftrag der Bundesregierung ist, hier ansprechende Marktanteile deutscher Auto- und Softwarekonzerne zu sichern und zu verteidigen.
4. Dörfer und Räume, in denen nichts fährt und nichts funkt, wird es weiter geben. Infrastrukturen aller Art sollen privat werden und bleiben, um deutschem Grosskapital Auskommen zu sichern. Von diesem scheuen Reh kann aber niemand verlangen, dass es sich um die Versorgung von allen Bauerndeppen kümmert. Wo keiner wohnt, kommt auch nix hin, Hauptsache sie bleiben Stammwähler*in der CDU.
Und wenn es überhaupt einen Wettbewerb zwischen CDU und SPD gibt, dann um die Frage, wer der erfolgreichste chauvinistische Verteidiger des deutschen Industriekorporatismus gegen die böse Welt da draussen ist.
Zum Weiterlesen: taz-Interview mit Naomi Klein.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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