Sie veranstaltet einen Zirkus, um einen neuen Vorstand zu wählen. Sieben Pärchen bewerben sich um den Vorsitz – oder besser – die Konkursverwaltung der SPD. Eine über 140 Jahre alte Traditionspartei, die Präsidenten und Kanzler stellte, soziale Errungenschaften durchgesetzt, die Weimarer Demokratie bis zuletzt verteidigt und die Bundesrepublik aus der außenpolitischen Sackgasse des kalten Krieges befreit hat, die erste ökologische Wende mit einleitete. Die seitdem über Jahre falsche Entscheidungen trifft oder mitträgt. Am Abgrund der Entscheidung über eine Überlebensfrage der Menschheit, eine Minute nach Zwölf, als klare Entscheidungen nötig waren, hat sie wie üblich Flickwerk zugestimmt und das eigene politische Ende eingeläutet.

Da können die Parteikader nun diskutieren wie sie wollen, sie sind von ihrem Regierungsarm heute zu Parteikaspern zurechtgestutzt worden. Es geht hier nicht um Ideologie, es geht um klare Entscheidungen. Man kann durchaus Klimazertifikaten den Vorrang vor Steuern geben – aber dann nicht solche, die absehbar unwirksam sind. 50-100 € pro Tonne CO² empfehlen selbst Ökonomen. Nur 10 €/to sind ein Irrwitz. Ein fatales Signal an andere Staaten, die zögern. Wichtige Hersteller von Windkraftanlagen in Deutschland stehen in diesen Tagen vor der Pleite, sind insolvent, weil diese Regierung zulässt, dass in NRW und Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein die Windkraft durch Erlasse über Abstände der Anlagen zu Wohngebieten zum Erliegen kommt. Dass vor Jahren in Sachsen 2.500 Arbeitsplätze beim Solarstromhersteller Solarworld vernichtet wurden, war noch eine Glanztat der Gelb-Schwarzen Koalition. Aber die SPD macht nichts dagegen, obwohl sie in Berlin regiert.

Die Konjunktur lahmt, viele Arbeitsplätze könnten in Gefahr geraten. Olaf Scholz, ein wichtiger Spitzenkandidat und wahrscheinlicher Abwickler der SPD nach 2021 könnte durch massive Investitionen in notwendige Infrastruktur (Bahnstrecken, Autobahnbrücken, Schulen, Hochschulen und öffentliche Einrichtungen, Stärkung der kommunalen Haushalte) praktisch zinslos ein massives Konjunkturprogamm auf den Weg bringen. Stattdessen plant diese Koalition Subventionen für die “üblichen Verdächtigen”, packt die CO² intensive Industrie in Wattebäuschchen und verteilt sogar noch Wahlgeschenke in Form von Erhöhungen der Pendlerpauschale und Strompreissenkungen. Ob für Hubertus Heils angekündigtes Arbeitslosigkeit-Vermeidungsgesetz dann noch Geld da ist, steht in den Sternen. SPD – das ist Reparatur und Klein-Klein statt gesellschaftlicher Strategie. Klar ist nur, dass die Klimaziele 2030 weder so zu erreichen sind, noch eine irgendwie geARTEte nachhaltige Wirtschaftsstrategie erkennbar wäre. Die SPD hat mit diesem Klimapaket ihren politischen Offenbarungseid geleistet.

Sie hat eine historische Chance vertan, die Bundesrepublik in den Kreis der Staaten zurückzuführen, die sich an das Pariser Klimaabkommen halten. Es scheint ihren Funktionären und Minister*innen noch gar nicht klar zu sein, dass die SPD sich damit auch für eine mögliche künftige rot-grün-rote Politik in Sachen Glaubwürdigkeit weitgehend disqualifiziert hat. Heute haben 1,4 Millionen Menschen in Deutschland für mehr Klimaschutz demonstriert. Am gleichen Tag hat die SPD ein Placebo-Klimapaket mitbeschlossen. 1981 hat in Deutschland eine halbe Million Menschen gegen die NATO-Nachrüstung demonstriert und Kanzler Schmidt hat an der Raketenstationierung festgehalten, bis ihn die FDP politisch meuchelte. Die SPD bezahlte ihren Starrsinn damals mit 16 Jahren Opposition.

Der Unterschied zu damals ist, dass die Bewegung, die die SPD heute ignoriert, nicht durch politische Ideologien, sondern durch wissenschaftliche Erkenntnisse und den Willen, das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen, getrieben ist. Diesmal könnte die Möglichkeit der Regierungsbeteiligung der SPD im Bund ein für allemal beendet werden. Denn dass es eine Menschheitsaufgabe ist, ist klar, dass sich das Klimakabinett ein mal im Jahr trifft, um festzustellen, dass die gesetzten Ziele nicht erreicht worden sind, ein Job für Funktionäre mit Realitätsverlust, wie weiland Egon Krenz. So träum, lieber Olaf, von der einen Million E-Autos auf deutschen Straßen, die Merkel für 2020 versprochen hat. Heute, im dritten Quartal 2019, sind es ca. 18.500. Glückauf, lieber zukünftiger SPD-Vorstand!

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net