Mehrere tausend Bauern haben heute mit Traktoren, die alle deutlich über 200 PS auf die Straße bzw. den Acker bringen, Bonn und viele andere Städte der Republik blockiert. Die weit über 100.000 Euro teuren Fahrzeuge lassen zweifeln, wie wir das Gejammer der konventionellen Landwirte verstehen sollen, dass sie “am Ende” seien. Am Ende der Vernunft? Am Ende der Einsicht? Offensichtlich nicht am Ende der Blindheit dafür, dass sie nicht mehr Landwirte, sondern sklavenhafte Anhängsel der Chemieindustrie sind. Offensichtlich ohne Einsehen darin, dass die ihnen bisher legal auszubringende Güllemenge weit über der von Wissenschaftlern in der EU einmütig vorgetragenen Maximalmenge liegt – mit entsprechenden Folgen für den Nitratgehalt im Trinkwasser bundesweit.
Kein Berufsstand hängt derartig am Tropf der EU-Subventionen wie die Bauern, vor allem die konventionelle Landwirtschaft. Dass sie trotz konstantem Wachstum der Betriebsgrößen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken, hat mit dem Selbstverständnis und der Politik des Deutschen Bauernverbandes zu tun. Beherrscht von Niedersächsischen und Westfälischen Großbauern entwickelten sie sich seit der Zeit ihres Vorsitzenden Konstantin Freiherr zu Heeremann – man beachte, in welchen Aufsichtsräten von Chemieunternehmen dieser Mann saß – zum Appendix der Agrarchemie. Zenit dieser Entwicklung ist derzeit das Insektengift Glyphosat, das den Bauern die lebenswichtigen Bestäuber entzieht. Aber auch etwa die Gentechnologie, deren Versprechen, gentechnisch veränderte Pflanzen bräuchten keine Pestizide mehr, was sich nicht nur als Lüge erwies, sondern die Bauern auch in die Abhängigkeit durch steriles Saatgut brachte, sowie noch erheblich mehr Pestizideinsatz mit sich brachte.
Auf der anderen Seite der Schere Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé und Unilever, die immer billigere Rohstoffe fordern oder die Supermarktketten wie Aldi und Lidl, Edeka und Rewe, die die Produzenten zu immer niedrigeren Milch- Fleisch- und Gemüsepreisen erpressen. Anstatt diese Logik zu erkennen und sich ihr wie die Ökologische Landwirtschaft zu widersetzen, protestieren sie als Handlanger von Monsanto und co. sowie der besagten Handelsketten gegen eine viel zu zaghafte Agrarpolitik von Julia Klöckner. Die will weichgespülte Reduzierungen der Güllemengen und ein Verbot von Glyphosat ab 2023 durchsetzen, was Umweltschützer und Ökologen für völlig unzureichend und zu spät bezeichnen.
Was heute an Protest in Bonn und anderswo stattfand, war das bare Unverständnis unaufgeklärter Agrarchemiesklaven. Ein Projekt der GTZ in Marokko macht den dortigen Bauern klar, dass die Pflege von günstigen Umweltbedingungen für Bestäuber zu höheren Erträgen bei der Ernte führt, folglich ökologische UND ökonomische Vorteile hat. Es wird Zeit, von “Entwicklungs”ländern zu lernen.
Grundsätzlich einverstanden, ich glaube aber nicht, daß die konventionellen Landwirte unaufgeklärt sind, sondern dem gängigen Marktkonzept folgen und etliche wohl auch darunter leiden, nicht zuletzt auch wegen der Förderung der Mechanismen durch die EU. Der angekündigte Politikschwenk wird jetzt schmerzhaft antizipiert.
Wenn Sie derart zugespitzt formulieren, sollten aber auch die Fakten stimmen: Glyphosat ist kein Insektengift, sondern ein (weitgehendes) Totalherbizid. Es verhindert damit auch alternative Blühpflanzen; gefährlicher für die Insektenpopulationen sind m.E. aber die Neonicotinoide!