Würden Sie mit Buchautoren sprechen wollen, die Sie in einem bereits gedruckten Werk als Kontrollfreak darstellen? Egal, ob das am Ende stimmt: das würden Sie (und ich) gewiss nicht tun. In Ihrem oder meinem Kopf würden solche Autoren, ohne dass wir das jemals (solange wir mit ihnen arbeiten müssen) öffentlich so sagen dürften, als Feind gelabelt – “wer nicht für uns ist, ist gegen uns”. In der Politik und als dort arbeitender Berater habe ich gelernt, dass erneuter und erneuernder Gesprächskontakt trotzdem sinnvoll sein kann. Wenn die Betreffenden publizistisch sehr wichtig sind. Und wenn ihnen ein Angebot gemacht werden kann, das sie nicht ablehnen können.
Lucien Favre ist solchen Problemen ausgesetzt. Und Thomas Tuchel auch. Heute Abend treffen ihre Mannschaften im Westfalenstadion aufeinander. Und ich freue mich schon drauf.
Aus diesem Anlass muss nun hektisch ein Buch über Tuchel vermarktet werden. Tobias Schächter und Daniel Meuren haben es geschrieben, die sicherlich zu den Besseren der Zunft der Fußballjournalist*inn*en gehören. Ihr bekennender Buddy Jan-Christian Müller/FR gibt eine gut und schnell zu lesende Zusammenfassung. Die FAZ veröffentlicht ein Kapitel aus Tuchels Trainerjugend vorab.
Das Misstrauen der Herren Favre und Tuchel gegen diese Zunft heizt das weiter an. Für uns als Öffentlichkeit ist es dagegen sehr interessant, weil es Schlüssellocheinblicke vermittelt, die uns von den PR-Abteilungen des Fußballbusiness verwehrt werden.
Im Fall Tuchel besagt das gezeichnete Bild, dass ein kontroll- und karrieresüchtiger Typ sich, nach anfänglichem Verletzungspech als aktiver Fußballer, gegen Widerstände zu einem Fußballlehrer der Weltklasse hochkämpft – und dabei leider fortgesetzt seine menschlich-sympathischen Züge verliert. Gemäss Marxens Lehre vom Sein, das das Bewusstsein bestimmt. Diese Marx-Interpretation ist schon ein Märchen, weil dem Meister in solchem Denken die Dialektik gefehlt hätte, und er sich vom platten Determinismus seiner späten Erben in Deutschland immer ferngehalten hätte. Diese Erkenntnis ist es auch, die mich die Tuchel-Geschichte dieser Autoren allzu misstrauisch wahrnehmen lässt.
Sie passt in der Lesart, in der sie heute verkauft wird, allzu gut in das Narrativ, das die heutige BVB-Führung zu verbreiten versucht. Und mit der es sich Journalist*inn*en in diesem Business nicht voreilig verderben wollen.
Das wiederum macht Tuchels (übersteigertes?) Misstrauen nur allzu verständlich.
Sehen Sie nur hier, wie Thomas Kistner/SZ den Fall von ManCity weiterdreht. Das sind die Mechanismen des Geschäfts. Finden Sie die etwa nicht ekelhaft?
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