Wer sitzt im Bundestag – und wer nicht?
Die “Süddeutsche Zeitung” hat eine Fleißarbeit darüber veröffentlicht, wer und vor allem, wer nicht im Bundestag sitzt. Und besonders auch darüber, welche wesentlichen Teile der Bevölkerung dort nicht vertreten sind. Lohnt sich zu lesen. Die Süddeutsche schreibt: “Vor einigen Wochen hat die SZ einen Fragebogen an alle Abgeordneten des neuen Bundestags geschickt. 280 von ihnen haben mitgemacht und geben so eine Antwort auf die Frage: Wie gut repräsentieren die Abgeordneten ihr Volk? Das Ergebnis ist eindeutig: Verglichen mit der Gesamtbevölkerung sitzen im Parlament nicht nur zu wenige Frauen und zu wenig Migranten, sondern auch: zu wenig Landbewohner, zu wenige Menschen mit Hauptschulabschluss, zu wenige mit einer Behinderung.”
Ja damals …
Ich möchte diesen Beitrag der Süddeutschen zum Anlass dafür nehmen, auch ein bisschen über den Bundestag zu plaudern. Ist ja sozusagen einer meiner Arbeitsplätze als “Parlamentsjournalist”. Ein paar Jahre war ich dort auch als Mitarbeiter tätig. 1995 bis 1998 als Fraktionsreferent der Grünen im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß BND/Plutonium und später noch mal bei der damaligen SPD-Abgeordneten Iris Gleicke.
Insgesamt laufe ich seit über 40 Jahren in dem Haus herum. Seit man mir meine Arbeitsbasis in Bonn entzogen hat, weniger als früher. Inzwischen ist es bequemer am heimischen PC das Geschehen im “Hohen Hause” zu beobachten, Reden und Anfragen auszuwerten etc.
Der Bundestag kapselt sich immer mehr ab. Jetzt planen die dort herrschenden sogar einen Wassergrafen zur Abnwehr der Bevölkerung einzurichten Als ich das zum ersten Mal las, hielt ich es für einen Scherz. Ist aber ernst gemeint – und wundert mich nicht wirklich. Das Parlament schirmt sich mehr und mehr ab – auch gegenüber uns Journalisten. Die Hauptgebäude des Bundestages, also der Reichstag und das angrenzenden Bürogebäude, sind alle mittels unterirdischer Gänge miteinander verbunden. An einigen dieser Gänge befinden sich ganz nette kleine Cafes, wo man schnell mal mit jemandem sprechen kann. Angeblich sind den Journalisten nun diese Durchgänge verwehrt. Aber schon die Innenarchitektur ist abweisend. Die Türen zu den Büros sind so dick und schwer, dass sie automatisch zufallen, wenn man sie nicht mit schweren Stühlen oder anderen Gegenständen aufhält.
Früher in Bonn
– etwa im Abgeordnetenhochhaus – nach dem Bauherrn Bundestagspräsident Gerstenmaier “Langer Eugen” genannt. ging es anders zu. Der Spitznahme für das hohe Gebäude war ein bisschen gemein – denn der Mensch Eugen Gerstenmaier war selbst etwa so klein wie ich – und ich bin ziemlich kurz. Im Unterschied zu ihm war sein Haus aber sehr hoch über 20 Stockwerke … Die Büro gruppierten sich in den einzelnen Etagen um eine Art “Innenhof” in dem sich gemütliche Sofa-Sitzgruppen befanden, die Büro waren rundum so angeordnet, dass sie über Außenfenster verfügten. In der Mitte der jeweiligen Etage residierte ein Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung, der auch die Aufzüge mit im Blick hatte. In diesen Sitzgruppen fanden kleine Besprechungen statt, wurden Besucher mit Kaffee und oft auch mit Kuchen versorgt und dort fanden auch Feste statt, auch recht feucht-fröhliche Feste. Dabei war manchmal auch Alkohol im Spiel. Manchmal, aber natürlich ganz selten, auch viel Alkohol.
Weil es ja kaum Gelegenheiten gibt, so was aufzuschreiben, dazu eine kleine Ausschweifung, selbst erlebt. Auch ein oder mehrere Geburtstage mußten gefeiert werden. Irgendwann am schon vorgerückten Abend ein gellender Schrei einer stimmkräftigen Sekretärin: “Aber Saxi, das ist der Aufzug!” Saxi, mehr verrate ich nicht, hatte den geistigen Getränken seine Abneigung verweigert und mußte sich erleichtern. Dummerweise war er auf dem Weg zur Keramik falsch abgebogen und setzte mindestens einen Aufzug zeitweise außer Betrieb. Es knallte und rauchte fürchterlich, nichts ging mehr zwei Aufzüge waren außer Betrieb – aber Saxi, dem gings besser, er verstand gar nicht, warum man so laut nach ihm rief. Er rief zurück: “Ja watt is denn?”
Sowas wäre in Berlin undenkbar. Vor etwa einem Jahr wollte ich das Bundestagsgebäude betreten, meine Tasche wurde kontrolliert und darin ein “kleiner Feigling” entdeckt – denn, so der Polizist, Alkohol sei im Bundeshaus verboten. Ich habe ihn ziemlich laut ausgelacht und geantwortet. “Das hier ist doch nur im Suff zu ertragen.” Der Mann war Berliner, also eher humorfrei, fand das gar nicht witzig, und drohte mir mit, ich weiß nicht mehr genau, ich meine mich zu erinnern, mit so was wie – Festungshaft oder vorläufiger Erschießung.
Früher gab es in Bonn, unter dem Plenarsaal eine richtig gemütliche Kneipe “beim Ossi”, erreichbar über eine Wendeltreppe in der Lobby. Ich habe im Reichstag danach gesucht. Vergebens. Gefunden habe ich sie dann in einem Nebengebäude, vollkommen anonym hinter einer gewöhnlichen Bürotür in Haus der Parlamentarischen Gesellschaft. Also nur für Mitglieder und deren Gäste zugänglich.
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