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Olympia – Totaler Wirklichkeitsverlust (II)

Die weltweite Corona-Krise breitet sich rasend aus. Kein Heilmittel, keine Impfung, allein die Verzögerungsstrategien, wie sie in China und Ostasien erfolgreich waren, und ihre demokratisch gezähmten Ableger in Europa versprechen gewisse Erfolge bei der Eindämmung des Virus. Ob die Bundesliga ab Mai zuende spielen kann – in Geisterspielen – ist offen, internationale Wettbewerbe sowieso, und selbst die Formel 1 zweifelt daran, ab Mai ihre Boliden und vergleichsweise überschaubaren Teams zumindest nur im Fernsehen loslassen zu können.  Unbeirrbar und bar jeder Wirklichkeitsverarbeitung halten IOC-Präsident Thomas Bach und Japans Premier Shinzo Abe an einer Durchführung der Olympischen Spiele im Juli fest.

Dieses Verhalten unter den Umständen der Corona-Krise erscheint immer mehr beteiligten Sportlern wie auch der Weltöffentlichkeit als eine engstirnige, verbohrte Farce. Der bereits qualifizierte Fechter Max Hartung hat deshalb gestern seine Nichtteilnahme erklärt – weitere werden vermutlich folgen. Denn viele Athleten können unter den Umständen der Krise überhaupt nicht trainieren. Persönliche Gesundheitsrisiken drohen, wenn infizierte Sportler, die keine oder wenig Symptome haben, aber infiziert sind, weiter trainieren.

Bach scheint nicht zu sehen, was passiert

Bestimmte Länder wie Italien, absehbar Großbritannien und USA, wo katastrophale Zustände des Gesundheitssystems bereits heute deutlich werden, würden selbst im Falle einer überwundenen Pandemie vorbereitende Wettbewerbe absagen müssen. Bestimmte Sportarten wie Fechten, Volleyball, Tischtennis, Badminton usw. können unter diesen Umständen gar nicht trainieren. Längst ist klar, dass aufgrund der in der Krise längst gelockerten Dopingkontrollen die Gefahr besteht, dass sich viele Athleten noch versuchen werden, bis zum Sommer Vorteile durch entsprechenden Substanzmißbrauch zu verschaffen.

Es gibt also weder eine klare Basis, auf der mit Spielen gerechnet werden kann, noch stimmen die Voraussetzungen, um einen fairen Wettbewerb zwischen den Athleten zu gewährleisten. Darüber hinaus ist heute schon klar, dass im Juni/Juli die Corona-Krise im günstigsten Fall nicht beendet sein wird. Es wird selbst bis dahin  weder einen Impfstoff geben, noch eine sichere Therapie – also werden auch die Zuschauer fehlen.

Geldgier entscheidend?

Das IOC ist eine von kommerziellen Interessen beherrschte Funktionärsclique, die sich seit Mitte der Siebziger Jahre den einstmaligen Amateursport Olympia zueigen gemacht hat. Seit Generalsekretär Samaranch in den 70er Jahren begonnen hat, aus dem bis 1972 einigermaßen den Anschein des Amateursport wahrenden, eine durchprofessionalisierte Maschinerie kapitalisierten Sports zu machen, schreitet der Prozess fort, die einst im olympischen Gedanken des Friedens und der Völkerverständigung erfundenen Spiele zu einem kommerziellen Spektakel in den Krallen von Coca Cola, McDonalds, und vieler anderer “Sponsoren” zu machen. Die einstigen Sportfunktionäre sind längst interessenabhängige Vollzugsgehilfen der internationalen Sport- Medien- und Finanzindustrie. Sie haben die ursprünglich durchaus sympathische Lüge, es ginge bei Olympia darum, ein friedliches Fest der Völkerverständigung zu feiern, bei dem es wichtiger ist, teilzunehmen, statt zu siegen, zu einer riesigen kommerziellen Farce degradiert.

Vernunft sieht anders aus

Thomas Bach wollte das als IOC-Präsident einmal verändern. Der ehemalige Fechtmeister und Sportmanager kam eben aus dem Sport, und galt nicht als Funktionär. Davon kann heute keine Rede mehr sein. Er scheint ebenso blind und jenseits aller Realitäten an den Spielen festzuhalten, wie Shinzo Abe. Abe hat trotz der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 bereits 2015 den ersten Atommeiler wieder angefahren, und kämpft wider alle Vernunft für den Ausbau der Kernenergie. Er regiert ein Land, dessen Wirtschaft stagniert, und hat bisher auf einen Aufschwung durch Olympia spekuliert. Beide haben sich nun verkalkuliert. Werden weiter Sportler wie Hartung oder nationale Komitees unter dem Druck der Öffentlichkeit erklären, dass sie nicht teilnehmen, ist der Tag absehbar, an dem Bach seinen Sessel räumen muss. Seine Autorität ist längst verspielt. Er hat es nur noch nicht wahrgenommen. Er hat wie NATO-Generalsekretär Stoltenberg den Schuss noch nicht gehört.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Martin Böttger

    Nun bleibt noch die Frage offen, ob der NRW-Ministerpräsident und die NRW-OBs sich von diesem gleichen IOC weiter einseifen lassen wollen, oder endlich die Finger von dieser dubiosen Mafia-Veranstaltung zum Zwecke des Ausraubs öffentlicher Kassen lassen.

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