Von Günter Bannas
Bemerkenswertes und Bedenkenswertes wurde in diesen (vor-)österlichen Tagen gesagt, geschrieben, getan – unterlassen auch, was schon deshalb für die Nachwelt festzuhalten ist, weil sich aktuelles Zeitgeschehen als Epochenwechsel in der Geschichte der Menschheit erweisen und Menetekel zur Wirklichkeit werden könnten. Die Zeit rast, und darüber könnte Einmaliges vergessen oder übersehen werden. Das Wort vom „Hochfahren“ von Staat und Wirtschaft etwa, so als ob Staat und Wirtschaft ein altbackenes Kohlekraftwerk wären. Zuvörderst zu notieren ist auch, dass nicht die Bürger den Regierenden (fürs Kurzarbeitergeld und sonstige Subventionen) danken, sondern dass die Regierung dem Volk für seine Besonnenheit „Danke“ sagt, wie das Angela Merkel (die, angesichts bester Umfragen, 2021 vielleicht doch noch mal „ran“ muss) getan hat, was bestimmt nicht damit zu erklären ist, dass andernfalls die Staatsgewalt Zuwiderhandlungen mit Mitteln zu bekämpfen hätte, die vor hundert Jahren ein sozialdemokratischer Innenminister mit „Einer muss der Bluthund sein“ umschrieb. Sogar die immer schon „traditionellen Ostermärsche“ finden laut Mitteilung der Friedensfreunde nicht auf der Straße, sondern „virtuell“ statt. In der Küche etwa.
Auch Friedrich Merz sprang über den eigenen Schatten. Er fand gute Worte für Merkel, weil die nachdenke, ehe sie rede. Aus dem Rahmen fiel auch, dass Horst Seehofer seinen Nachfolger Markus Söder (beide CSU) mit Lob bedachte (immerhin ohne dessen Namen zu nennen) und dass Norbert Walter-Borjans und Olaf Scholz (beide SPD) auftraten, als seien sie schon immer beste Freunde gewesen (allerdings ohne Saskia Esken, auch SPD), was Scholz natürlich nicht hindert, seinem neuen Freund die Show zu stehlen. Jürgen Trittin (Grüne) veröffentlicht derweil via Twitter ambitionierte Kochrezepte, was er sich gewiss nicht von Gourmetkritikern abgeschaut hat, die sich nicht mehr mit Drei-Sterne-Restaurants befassen, sondern mit Anleitungen für Anfänger: Wie entsteht eine Gemüsecremesuppe? Im Technikteil von Zeitungen werden hilfsweise Kartoffelschälmesser und Bratpfannen begutachtet. An politischer Literatur wurde „Die Pest“ von Albert Camus (als Allegorie auf den Zweiten Weltkrieg) zum Verkaufsschlager. Auch „1984“ von George Orwell („Freiheit ist Sklaverei“) wurde neu entdeckt. Hoffen wir, dass in einem Jahr nicht gesagt wird: „Ach, wie schön war Ostern 2020.“
Günter Bannas ist Kolumnist des HAUPTSTADTBRIEFS. Bis März 2018 war er Leiter der Berliner Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus “DER HAUPTSTADTBRIEF AM SONNTAG in der Berliner Morgenpost”, mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion. © DER HAUPTSTADTBRIEF
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