Immer wieder erstaunlich, mit welchen Mitteln der amtierende US-Präsident um seine Macht kämpft. Diesmal: die Briefwahl und die Rolle des US Postal Service
Wer ganz naiv auf den Streit darüber schaut, ob die US-Post fähig ist, die pünktliche Zustellung von Briefwahlstimmen zu gewährleisten, muss fassungslos sein: Wieso ist das im mächtigsten Land der Welt überhaupt eine Überlegung? Wie ist es möglich, dass in den Vereinigten Staaten offen darüber diskutiert wird, ob ein zuverlässiger Postdienst garantiert werden kann – eine Dienstleistung, die selbst in vielen armen, sogar in korrupten Ländern selbstverständlich ist?
Wer nicht naiv ist und die Hintergründe des Streits kennt, landet bei genau denselben Fragen.
US-Präsident Donald Trump warnt im Zusammenhang mit Briefwahl vor möglichem Wahlbetrug. Ohne belastbare Hinweise darauf, aber durchaus in Übereinstimmung mit seiner Linie, eine mögliche Niederlage nicht anerkennen zu wollen und alle Argumente für Widerstand schon im Vorfeld zu sammeln. Demokraten neigen eher als Republikaner dazu, ihre Stimmen per Post abzugeben, auch deshalb, weil sie Corona ernster nehmen und deshalb ungern in Schlangen vor Wahllokalen stehen. Wenn die Post ihre Aufgabe im Hinblick auf Briefwahl also nicht erfüllen kann, dann nutzt das dem Präsidenten und schadet seinem Herausforderer. So einfach ist das.
Zahlreiche Briefkästen und Briefsortiermaschinen wurden in den letzten Tagen und Wochen aussortiert und abmontiert – ein schöner Fall von sich selbst erfüllender Prophezeiung. Wenn es derlei Geräte nicht gibt, dann wird es natürlich schwierig, massenhaft Briefe termingerecht zu befördern.
Seit Jahren steckt der US-Postdienst in finanziellen Nöten. Das Internet hat dafür gesorgt, dass viele Nachrichten, die früher per Brief zugestellt wurden, inzwischen als Mail versandt werden. Und im boomenden Onlinehandel muss die gute alte Post mit privaten Unternehmen konkurrieren. Auf Pakete hat sie kein Monopol.
Eine grundlegende Reform ist unvermeidlich. Aber wenn ein republikanischer Großspender die Post leitet und der veranlasst, dass kurz vor den Wahlen die Voraussetzungen für eine geordnete Briefwahl entfallen, dann stecken dahinter sicherlich nicht nur wirtschaftliche Überlegungen.
Wie derlei im Detail aussieht, hat sich die Lokalreporterin Maritsa Georgiou genau angeschaut. Sie listete sorgfältig auf, welche Briefkästen in der Kleinstadt Missoula, Bundesstaat Montana, abgebaut wurden oder abgebaut werden sollten. Etwa 40 Prozent. In der Stadt Billings sogar die Hälfte. Die Folge: ein Aufschrei, über Parteigrenzen hinweg.
Inzwischen hat der oberste US-Postmeister Louis DeJoy versprochen, er werde mit der weiteren Zerstörung der Infrastruktur bis nach den Wahlen warten. Tja. Soll das nun begeistern? Und: Reicht das noch – oder ist schon genug kaputt, um eine Briefwahl nicht mehr abhalten zu können?
Wer kann das wissen? Was man wissen kann: Donald Trump betrachtet auch die Post nur unter dem Gesichtspunkt, ob sie seinen Interessen nutzt oder schadet – genau wie viele andere Dienste, die die Öffentlichkeit braucht. Kurz nach Amtsantritt drohte er damit, aus dem Weltpostvertrag auszutreten. Dem Weltpostvertrag! Der den Kalten Krieg und viele andere Konflikte überstanden hat.
Trump forderte bessere Bedingungen für die USA, und, ja: Er hat sie bekommen. Das Abkommen begünstigt ärmere Staaten, das gefiel dem US-Präsidenten nicht. Der Schulhof-Bully hat gewonnen. Und nun? Nun probiert er halt, ob die Methode auch auf nationaler Ebene funktioniert. Bisher fährt er damit ganz gut, leider.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag.
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