Gestern vor 120 Jahren brachten deutsche Kolonialtruppen alle Männer in der chinesischen Kleinstadt Liangxiang um. Inwieweit sich der Chinese daran erinnert, ist in deutschsprachigen Medien (ausser dem hier gesetzten Link, der in einigen Tagen in einem Paywall-Archiv verschwindet)) nicht überliefert. Klar, andere Sorgen …
Der Chinese ist ein seltsamer Kerl. Weit mehrheitlich soll er damit einverstanden sein, von Algorithmen durchleuchtet und bewertet zu werden (Social Credit System). Er verspricht sich davon mehr Gerechtigkeit, als er bisher durch Partei und Staat bekam. Ist halt alles eine Frage der Perspektive. Jetzt lehnt der Chinese plötzlich deutsches Schweinefleisch ab. Nur weil ein deutsches Wildschwein, das ganz offensichtlich illegal aus Polen eingewandert war, totgegangen ist, mit so einem doofen Virus. Und nur wegen dem einen Schwein sollen nun die Massentierfabriken von Sachsen-Anhalt bis Niedersachsen, und die grossen Schlachthäuser, die durch das “China-Virus” (Donald Trump) schon bis aufs Blut gequält sind, alle dichtmachen? Exportgeschäft kaputt, Fabrikschweinezucht kaputt. Und wohin jetzt mit dem Fleischberg? Der Deutsche isst ihn doch auch nicht auf, sondern demonstriert lieber gegen die Klimakatastrophe. Schlimm genug, dass der Chinese die deutschen Autokonzerne dazu erpresste Elektroautos zu liefern. Weiss er denn nicht, dass deren Klimabilanz auch nicht besser ist? Doch, ich glaube, das weiss er. Aber egoistisch, wie er ist, will er wenigstens in seinen Millionenstädten sauberere Luft atmen. Rücksichtslos.
Der arme kranke Kaiser
Wie anders der deutsche Kaiser Franz. Sein Leben lang hat er für Deutschland Opfer gebracht, das Bild Deutschlands in der Welt geprägt, es 1974 als Spieler, 1990 als Bundestrainer und 2006 als Chefnase des Organisationskomitees zum Weltmeister gemacht. Und jetzt soll das alles falsch gewesen sein? Der arme Franz. Tagesschau24 wiederholte gestern Abend eine NDR-Dokumentation von 2017, die dem kranken Mann arg voyeuristisch und Springer-Bild-artig hinterherschnüffelte (kein Mediathek-Angebot). Darauf folgte als Frischware eine bravere Interpretation des – Überraschung! – Bayrischen Rundfunks. Beiden gemein, mitsamt den meisten ihrer Zeug*inn*en, war die Fokussierung auf die Frage, ob der Franz jetzt gut oder böse war. Dabei ist das die uninteressanteste Frage. Der Mann war die Nase, die auf die Bühne geschoben wurde; die Geschäfte dagegen werden immer hinterm Vorhang abgeschlossen; nichts davon auf’m Platz, alles in den VIP-Logen. Das filmt aber niemand, ist verboten. Die berühmten 6,7 Mio., an deren Hin- und Herschieberei Beckenbauer durch eigene Unterschriften beteiligt war, waren der Köder, der den recherchefaulen Medienleuten zum Frass vorgeworfen wurden, damit sie sich um die systemische Substanz von Fifa, Uefa, Sponsorenkonzernen wie McDonalds, CocaCola, Adidas u.v.a. sowie Medienkonzernen (Murdoch, Berlusconi, Kirch) sowie dem sehr speziellen System von Steuerverwaltungen und Steuervermeidern nicht kümmern. Nur auf diesem gezielten Desinteresse können Schnapsideen, NRW-Städte sollten sich um IOC-Olympische Spiele bewerben, überhaupt entstehen.
Heute die Wahl
Auch gegen solche Schnapsideen werden hoffentlich morgen Weichen gestellt. Die NRW-Kommunalwahl wird ausgezählt. Ich schätze die Hälfte derer, die überhaupt teilnehmen wollen, hat schon gewählt. In Bonn sollen es über 70.000 sein, die es schon hinter sich gebracht haben. Wenn alles gutgeht, können Sie ab 18 Uhr hier die Auszählung in Bonn mitverfolgen. Hoffen wir, dass es ein freudiger Abend wird. Die Bonner Grünen verzichten wg. Corona auf eine zentrale Party, sondern teilen sich in ihre vier Ortsverbände; Beuel trifft sich in der Brotfabrik/Kreuzstrasse.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net