Wer repräsentiert wen? Hermann Parzinger diskutierte mit Gästen über die Zukunft der Museen
„Tear it down – Reißt es nieder.“ Für die bunte, queere Truppe, die sich vor ein paar Wochen vor dem Neubau des Berliner Schlosses alias Humboldt Forum zum antikolonialistischen Go-In versammelte, war die Sache klar. Dieses Museum soll gar nicht erst eröffnet werden. Eine Papp-Attrappe des christlichen Kreuzes, das seit Kurzem die Kuppel des umstrittenen Baus ziert, landete unter großem Jubel zerbrochen in der Spree.
„De-colonizing“ – die bei solchen Aktionen häufig intonierte Vokabel der Koalition progressiver Kulturarbeiter:innen fiel am Donnerstagabend in der Berliner Urania nicht. Was kein Zufall war. Repräsentierte doch das Podium, das dort über „Proteste, Angriffe, Vorwürfe: Wie frei sind unsere Museen?“ diskutierte, eines der zentralen Probleme vieler europäischer Museen – ihre mangelnde Diversität. Glaubte man den vier ausnehmend klugen, aber eben doch ziemlich weißen Kulturschaffenden lupenrein deutscher Provenienz, steht es um das unter schweren Beschuss geratene Museum besser, als Mensch so denkt.
Nach Hermann Parzinger, Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und damit auch des Humboldt Forums, entsteht mit kritischen Aktionen und Debatten, ein „Druck, der Energie erzeugt“. Ulrike Lorenz, seit einem Jahr neue Direktorin der Stiftung Weimarer Klassik, sieht den Legitimationsdruck im Gefolge von Epochenbrüchen wie denen um 1918, 1968 oder dem postkolonialen Revival heute als die einmalige Chance, die „Gesellschaft neu reinzuholen“ ins Museum.
Einzig Frankfurts Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) näherte sich dem Problem anders, als sie forderte, das Museum müsse die „Einwanderungsgesellschaft“ zur Kenntnis nehmen, die in Deutschland heute längst Realität sei.
Ansonsten konnte man bei dem Panel den Eindruck gewinnen, das Museum sichere seine Zukunft, wenn es nur möglichst viele, möglichst natürlich digitale „Angebote für neue Zielgruppen“ macht, wie es Thomas Müller-Bahlke, Direktor der Franckeschen Stiftungen in Halle, forderte. Das ist natürlich richtig. Schließlich hat das Museum eine gesamtgesellschaftliche Bildungsaufgabe.
In Fortschreibung der Tradition ihres berühmten Vorgängers Hilmar Hoffman fand Hartwig dafür die schöne Formulierung von den Museen als „emphatischen Räumen“, die „uns allen“ gehören und zur Mündigkeit erziehen sollten.
Freilich ist das Museum historisch und ideologisch, daran erinnerte Ulrike Lorenz, ein Institut, in dem sich „die bürgerliche Gesellschaft mit sich selbst verständigt“. Und das sieht man ihnen auch heute noch an. Die Sammlungen der meisten ethnologischen Museen sind großenteils koloniales Raubgut. Die Kunstmuseen folgen überwiegend der obsoleten Idee einer linearen Westmoderne. Nur damit, den „Methodenkoffer zu erweitern“ (Lorenz), und ein paar Workshops für Migrantenkinder lässt sich dieses Strukturproblem nicht reparieren.
„Neue Fragestellungen zuzulassen“, wie es Müller-Bahlcke forderte, ist sicher ein guter Anfang. Aber muss, wer „das „Politische der kuratorischen Praxis“ (Ulrike Lorenz) wirklich ernst nimmt, dieses Institut nicht radikal umbauen, ja ganz neu gründen?
Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.
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