Es ist nicht zu übersehen: das Sterben des Einzelhandels. Das war schon vor der Coronakrise zu sehen. Wie das der Gastronomien in Innenstadtlagen, soweit sie nicht zu gleichförmigen Franscheissketten gehören. Kürzlich zeigte ich einer Kölner Freundin den Remigiusplatz. Vor nicht allzuvielen Jahren war er noch vollgestellt mit Tischen und Stühlen, das pralle Leben. Heute hat nur noch das Bonngout überlebt. Das Denkmal, die soziale Skulptur des Wirtshauses Zum Bären ist schon seit vielen Jahren mit Brettern zugenagelt. Immobilienkapitalismus in Bonn.
Es brauchte erst den Bombenleger René Benko, damit Lobbyverbände und Kommunalpolitiker*innen aufwachten. Er macht jetzt die letzten KarstadtKaufhof-Warenhäuser dicht, die schon lange im Sterben lagen. Benko interessiert sich nicht für Einzelhandel oder gar Güterversorgung: was ihn interessiert ist Immobilienrendite. Die Kaufhäuser, die nur gemietet sind, interessieren ihn und seinen Konzern nicht. Die können von ihm aus vergammeln, nicht sein Problem, sondern eins der jeweiligen Stadt.
In den Innenstadtlagen hat das Immobilienkapital den Bogen überspannt. Die Blase der Gewerbemieten platzt. Nur Luxuswohnungen sind noch geeignet, überschüssiges Kapital anzuziehen.
Wie lange wollen und sollen die Städte noch dabei zusehen? In einem Feature von Peter Podjavorsek für DLF-Kultur werden die Probleme analysiert. Die Lösungen, die er präsentiert, sind jedoch nur Reparaturen an einem kranken System, die nicht weit genug reichen. Die kommunalpolitische Ebene, Städte und Stadtteilzentren, sind Getriebene der globalen Kapitalkreisläufe und Verwertungen. Sie werden es auch bleiben, wenn nicht das Privateigentum an Grund- und Immobilienbesitz im real existierenden Kapitalismus radikal, auf revolutionäre Weise eingeschränkt wird. Grundbesitz und seine Ausgestaltung gehört in demokratische Verfügungsgewalt. Er ist nicht produzierbar, sondern knapp und immer knapper und teurer.
Wenn Podjavorsek in seinem DLF-Feature einen Protagonisten der Stadtretter zitiert: “Da muss ein Umdenken stattfinden. Dass man weg von dieser renditeorientierten Investition hin zum Gemeinwohl als Mitaspekt denkt und sagt: Wie können wir mit unserem Geld dazu beitragen, den Wohlstand zurück in die Stadt zu bringen.” – dann ist das lieb und ehrbar, aber auch sympathisch-naiv und von Verachtung durch die Kapitalmächtigen akut bedroht. Der intelligentesten Stadtgestaltung sind brutale Grenzen gesetzt, wenn sie vor den Eigentumsverhältnissen halt machen muss.
Die neugewählte Grüne OB von Bonn, Katja Dörner, steht in der Bonner Innenstadt vor ähnlichen Problemen. So lange die Eigentums-Gesetze so sind, wie sie sind, wird sie, ähnlich wie ihr Grüner Kollege in Kreuzberg Florian Schmidt, alles daran setzen müssen, Grundeigentum so weit sie kann dem kapitalistischen Verwertungskreislauf zu entziehen. Damit wird sie sich mächtige Feind*inn*e*n machen, aber auch Anhang auf der anderen Seite gewinnen.
Oder wir warten halt, bis die Radikalisierung der Mieter*innen*bewegung in Berlin auch unsere Stadt erreicht.
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