Das Geschäftsmodell von Günter Netzer
Als 8-jähriger habe ich ihn dafür bewundert, und ihn mir als Nachfolger von Hans Schäfer zum persönlichen Lieblingsspieler gewählt: den 21-jährgen Günter Netzer beim Regionalliga-West-Spitzenreiter Borussia Mönchengladbach. Das war 1965. Jahrzehnte später machte er vor den Kameras der ARD fürstlich entlohnte Kalauer über seine eigene Trainingsfaulheit – und noblerweise kein schlechtes Wort über den heiligen Hennes Weisweiler. Das wäre heute mal spannend: von ihm aus dem Himmel zu hören, was er über das heutige Treiben denkt.
Wie komm’ ich drauf? Der Spiegel (Printversion, digital nur Paywall) verkauft sich heute mit alten neu aufgekochten Geschichtchen über den Kauf der Sommermärchen-WM 2006. Günter Netzer spielte dabei eine zentrale Rolle als leitender Angestellter der Firma CWL (später: Infront), die mit Müh’ und Not den Zusammenbruch des Kirch-Imperiums überleben musste. Das hat sie wohl geschafft, weil sie zuviel wusste.
Schon vor einem halben Jahr wies ich hier darauf hin, dass dem noch amtsjungen DFB-Chef Fritz Keller bei dieser ganzen Angelegenheit sehr unwohl zu sein und er zu versuchen scheint, die Sache besser untersucht und ausgeleuchtet zu bekommen. Das ist nicht nur für viele Verstorbene, sondern auch für noch lebende Machthaber risikobehaftet, und amüsiert die Betreffenden nicht. Darüber finden seit Monaten mehrheitlich verdeckte, selten offene Medienkriege statt. Jede Seite sticht Unsympathisches über die Gegenseite durch. Die bedienten recherchefaulen Sportredaktionen freuen sich über so viel Stoff mit so wenig Arbeit. Ganz wie es Netzer auch immer so erfolgreich macht.
Ausser für die alte Geschäftsverbindung von DFB und Infront bringt der Spiegel allerdings (und überraschend? oder typischerweise?) fast nichts, was noch irgendwem gefährlich sein kann.
Viele Problembereiche und Fragen bleiben komplett unerwähnt. Der Herr Netzer war 1998-2010 Honorarkraft der ARD. Für allein drei dieser 12 Jahre wird ein Honorar von knapp 4 Mio. € genannt. Die ARD, obwohl von uns bezahlt, weigert sich frecherweise, solche Zahlen offen zu legen. Was aber noch schlimmer ist: vor den offenen Augen “unserer” ARD arbeitete Netzer als Vielfachagent für alle Seiten: Kirch-Konzern (= illegaler Kohl-Spender), seinen Kumpel Beckenbauer, den Fußballkonzern im süddeutschen Raum mit seinem Kumpel, dem Steuerkriminellen an der Spitze, den DFB und all seine Buddys dort. Zuzutrauen ist ihm, dass er dem Spiegel sogar seine heutige billige Story teuer selbst verkauft hat. Die offene Frage für mich, die hier übrig bleibt: was haben sich unsere angestellten Intendanten, Programmdirektionen und Sport-Koordinatoren eigentlich dabei gedacht? Oder wurden sie in ähnlicher Weise honoriert, angesichts ihrer kargen Gehälter und Pensionen?
Und, haha, davon im Spiegel selbstverständlich keine Silbe: was haben eigentlich die Bundesregierungen in jener Zeit (1998-2005 rotgrün!) die ganze Zeit gemacht? Haben die – selbstverständlich – von der ganzen WM-Bewerbung nur zufällig aus der Zeitung (damals wurde sowas noch gekauft) erfahren (Schröder: “Bild, BamS und Glotze”)? Und der Bundeskanzler samt seinem Innenminister Schily kamen im Juli 2000 nur zufällig vorbei, als die Fifa ihre 12:11-Entscheidung (gegen Mandelas Südafrika) bekannt gab? Deutschland war wieder wer, hatte gerade zum ersten Mal seit 1871 wieder einen Krieg gewonnen (gegen das fiese Serbien). Wer nur den Spiegel liest, glaubt vielleicht auch, dass Gerhard Schröder, Joseph Fischer und Otto Schily von nichts, wirklich gar nichts, irgendwas gewusst haben können. Wie hätten sie es auch erfahren sollen? In der ARD (= Glotze) kam ja nichts. Da kommentierte Netzer.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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