Beueler-Extradienst

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Engstirnigkeit im Amt taugt nicht

Warum nur haben wir eine Verteidigungsministerin, die nicht versteht, dass das, was sie verfolgt und plant, absurd, wirtschaftsfeindlich, zerstörerisch und kriegstreibend ist? Und warum versteht ein Teil der SPD nicht, worum es wirklich geht?

Das sogenannte 2% Ziel

Die Bundesregierung behauptet immer wieder, sie sei verpflichtet, 2% des Bruttosozialprodukts für Militär und Rüstung auszugeben. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands lag 2019 bei rund 3.450 Milliarden €.  Zwei Prozent davon wären 69 Milliarden € – das ist weit mehr als eineinhalbmal soviel wie der Etat von 2019 i.H.v. 43 Mrd. €. Die Bundesrepublik liegt derzeit mit ihren Rüstungskosten international auf Platz 7 von 200 Staaten. Mit 2% BIP würden wir auf Platz 4 hochkatapultiert und zum militärisch mächtigsten Staat der Welt. Ob dies vor dem historischen Hintergrund von Deutschlands Geschichte international als Friedenssignal oder Bedrohung empfunden würde, ist offen. Der Rüstungsetat umfasst bereits jetzt schon 12% des Gesamtetats und würde sich bei einer solch drastischen Erhöhung auf nahezu 25% erhöhen.

Abgesehen davon, dass es weder eine Kriegssituation, noch einen Spannungsfall gibt, würde eine solche Erhöhung drastische Einsparungen in anderen Bereichen, im Sozialbereich, in der Bildung und in der Forschung, sowie der Wirtschaftsförderung erfordern. Dies würde bedeuten, dass drastische soziale Einschnitte und ein weiteres Zurückfallen der Bundesrepublik, etwa bei der IT-Bildung von Kindern und Jugendlichen, in Kauf genommen werden müssten. Außerdem stünden wesentlich geringere Mittel für die dringend notwendige Verkehrs- und Energiewende zur Verfügung. Dies alles gilt schon für °normale° Zeiten und potenziert sich angesichts der Corona-Krise noch. Vor dem Hintergrund der keineswegs nachhaltigen Folgen dieses angeblich erforderlichen “Ziels” muss wirklich an Weitblick, wenn nicht an der strategischen Intelligenz der gesamten Spitze des BMV gezweifelt werden. Verfassungsrechtlich stellt sich die Frage nach der demokratischen Legitimation der “2%”. Sie sind weder Inhalt eines Kabinetts- oder Bundestagsbeschlusses, noch eines Gesetzes. Weder Bestandteil internationaler Verträge oder irgendwelcher verbindlicher Vereinbarungen.

Sie sind ausschließlich ein ideologisches Dogma, das auf einer demokratisch nicht legitimierten Absprache innerhalb der NATO beruht, und von Donald Trump, einhergehend mit massiver politischer Erpressung mit Zöllen, eingefordert wurde. Begleitet von Truppenabzügen und geopolitischen Vabanque-Spielen wie den unabgesprochenen Truppenabzügen aus Syrien oder Afghanistan – gegen die Interessen der NATO. Die weitere Verfolgung des 2% Rüstungsziels käme einem ökonomischen und ökologischen, sowie sozialen Anschlag auf die Verfassung und die Volkswirtschaft von historischer Dimension gleich. Die Frage ist, wieso sowohl die CDU/CSU als auch die SPD das Märchen von der Notwendigkeit des 2%-Ziels nicht infrage stellt, obwohl alle über diese Folgen bescheidwissen könnten. Es ist unverantwortlich und demokratisch nicht hinnehmbar, dass die GroKo versucht, dieses “Ziel” jeglicher gesellschaftlicher und politischer Diskussion zu entziehen. Eine so existenzielle Frage, die den Frieden in Mitteleuropa betrifft, muss mindestens genauso intensiv gesellschaftlich diskutiert werden, wie die Ostverträge 1971/1972. CDU/CSU und SPD haben diese Frage bisher der politischen Diskussion entzogen und die demokratische Opposition mit Ausnahme der “Linken” hat es ebenso versäumt, die massive Aufrüstung zu thematisieren und damit ihrer Oppositionsrolle gerecht zu werden.

Der ethische Abgrund bewaffneter Drohnen

Von ähnlich entscheidender Bedeutung ist die Frage der Anschaffung oder gar der Einsatz von bewaffneten Drohnen. Das vorgeschobene Argument für solche unbemannten Waffen ist der angebliche “Schutz von eigenen Kräften” – nur wieso braucht man dafür bewaffnete Drohnen? Geht es um Aufklärung der Lage, reichen unbewaffnete Drohnen aus. Geht es um Geleitschutz, sind Hubschrauber oder Luftunterstützung durch Flugzeuge das Mittel der Wahl. Bewaffnete Drohnen aber sind nichts anderes als Waffen, die feige aus dem Hinterhalt und ohne eigenes Risiko der Angreifer wirken. Dieses mangelnde Risiko bedeutet aber auch, dass sie eher zum Einsatz gebracht werden, dass sie potenziell eine eskalierende Wirkung auf den Spannungsfall oder eine militärische Krisensituation ausüben. Wer kein oder ein geringes Risiko für die eigene Truppe eingeht, wird zwangsläufig früher auf den “roten Knopf” drücken.

Bewaffnete Drohnen steigern die Asymmetrie moderner Kriege – wo auf der einen Seite Soldaten mit Schußwaffen stehen, fliegen unbemannte Flugkörper, um diese praktisch aus dem Hinterhalt umzubringen. Dass diese feigen und hinterhältigen Mordattacken, wie sie etwa die US-Luftwaffe von Ramstein aus in Afghanistan und Pakistan sowie im Irak praktiziert hat, wesentlich problematischer ist, als öffentlich dargestellt, zeigen die psychischen Schäden, unter denen US-Drohnenpiloten bis heute leiden und die vor der Öffentlichkeit vertuscht werden. Bewaffnete Drohnen sind nicht nur eine ethisch-moralische Frage des ungerechten Vorteils. Auch ideologisch muss die Frage nach den langfristigen Folgen für das Ansehen der Wirkung der Armeen auf die Gegner überdacht werden. Nur zu gerne bemüht unsere Berichterstattung im Westen das Bild vom “feigen Selbstmordattentäter”, der sich selbst in die Luft sprengt und dabei möglichst viele unschuldige Opfer mit der Bombe mit sich ins Jenseits nimmt. Diese Bild ist bei genauerem Hinsehen nichts als auf Selbstbetrug beruhende Kriegspropaganda des Westens.

Kluge Konfliktstrategen der Geschichte wie Cäsar, Klausewitz, Churchill, Mao oder Mahatma Ghandi haben sich immer auch in den Gegner und seine Sicht der Lage hinein gedacht, um die Propagandawirkung des eigenen Handelns auf den Gegner abzuschätzen. Aus der Sicht der Anhänger islamistischer Attentäter ist der Suicide-Bomber keineswegs feige. Schließlich opfert er sein eigenes Leben, um dem Gegner Schaden zuzufügen – zum Märtyrertod zahlen z.B. die Taliban der betroffenen Familie hohe Geldsummen, damit etwa ein Geschwister studieren oder die Familie Land kaufen kann. Das ist nicht neu – die japanischen Kamikaze-Piloten des 2.Weltkriegs genossen höchste Achtung ihrer Landsleute. So drohen bewaffnete Drohnen in der Perzeption der Gegner nichts anderes als feige, hinterhältige Waffen von feigen, hinterhältigen Mördern zu erscheinen, die sich in vom Kriegsschauplatz weit entfernten Steuerräumen aufhalten, sich selbst nicht in einen Krieg begeben, sondern nur den wehrlosen Gegner aus dem Hinterhalt abschlachten und dabei Softdrinks und Chips konsumieren. Diese Perspektive asymmetrischer kriegerischer Tapferkeit könnte zum moralisch-ethischen Desaster einer westlichen Kriegsstrategie mit bewaffneten Drohnen werden. Das darf die Bundeswehr nicht ignorieren, das darf vor allem die politische Führung nicht ignorieren – aber es spricht für deren Unfähigkeit zu politisch-strategischem Denken, dass sie es nicht einmal erwägt. Sie befindet sich damit im gleichen Dilemma wie die asoziale Politik von Donald Trump: Er scheiterte nicht an der fehlenden Machtfülle und Kompetenz seines Amtes, sondern an der Amoralität und Perversität, als die die Binnen- und Weltöffentlichkeit sowie die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler sein Handeln erkannte, sozial sanktionierte und einhegte.

Alter Krieg in neuen Schläuchen

Die Einführung bewaffneter Drohnen ist gleichbedeutend mit der Robotisierung internationaler Konflikte und des Krieges. Ein erster Schritt, die Menschheit, die bisher über bewaffnete Auseinandersetzungen uneingeschränkt selbst durch ihre Machthaber entschied, zu entmachten und ihnen existenzielle Entscheidungen zugunsten von Blechautomaten abzunehmen. Von den Grenzsicherungsdrohnen in Südkorea bis zur automatisierten, algorithmengesteuerten Angriffsmaschinerie ist es nur ein kleiner Schritt. Wer sich nicht vorstellen kann, was das bedeutet, dem sei der Film von Stanley Kubrick empfohlen: Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben  der 1964 vor der “Weltuntergangsmaschine” warnt, die sich automatisch einschaltet, wenn jemand die damalige Sowjetunion mit Nuklearwaffen angreift. Wie aktuell übrigens das Thema Drohnenkrieg ist, und warum es deshalb auch dringend gesellschaftlich ins Bewusstsein gerückt werden muss, zeigt der kürzliche Krieg um Bergkarabach: Die armenischen Truppen wurden in einer Art Geisterkrieg fast ausnahmslos durch Drohnen aus vermutlich türkischer Produktion aus dem Hinterhalt abgeschlachtet. An einem der wenigen Filmberichte von “Stern-TV” erschrecken auch Ton und Ausdrucksweise der Kommentare. Was diese Form der Kriegsführung, aber auch für die Prioritäten der internationalen Politik bedeutet, bleibt bisher völlig unterbelichtet. Ein generelles Verbot und eine internationale Ächtung von bewaffneten Drohnen und von intelligenten, selbstentscheidenden Waffensystemen gehört auf die Tagesordnung der Vereinten Nationen, der NATO und auch der elitären Konferenzen, wie dem Wirtschaftstreffen in Davos oder der Münchner Sicherheitskonferenz – Ächtung statt Anschaffung ist die bessere, die humane Alternative.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Heiner Jüttner

    Die Forderung der USA, Deutschland müsse höhere Militärausgaben in der NATO leisten, ist auch aus einem anderen Grund unberechtigt. Anlass der Forderung ist die Rechnung, dass die Militärausgeben der USA, die 3,6 % des Bruttosozialprodukts ausmachen, mit denen der NATO-Saaten verglichen werden, die zumeist darunter liegen. Tatsächlich setzen die USA ihr Militärbudget überwiegend für eigene Zwecke und nicht für die NATO ein. Die ZEIT hat ermittelt, dass allenfalls 4,5 % des Gesamtbudgets für NATO-Verteidigungszwecke verwendet werden.*) Das erlaubt eine überraschende Schlussfolgerung: 4,5 % von 3,6 % des BSP sind nur klägliche 0,16 %, die die USA für Bündniszwecke einsetzen. Von den anderen NATO-Staaten werden 2 % verlangt.
    *) Die Milchmädchenrechnung der USA, ZEIT-online vom 21.2.2017

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