Das Geschwätz von “Leben und Tod”
Wenn es nicht so ernst wäre, wäre es mitleidserregend-amüsant. Es kommt derzeit in Mode, seine eigenen Argumente zu überhöhen, weil es immer “um Leben und Tod” gehe. Ist das nicht immer so? Nein, es nimmt überhand und richtet Schaden an.
Der Södermarkus will eine Impfpflicht für Pflegepersonal prüfen lassen, weil es “um Leben und Tod” gehe. Ja, klar. Wir haben ja genug Pflegepersonal, dass Impfverweigerer*innen leichthändig aussortiert werden können. Und wer nicht hören will, muss fühlen. Dialog auf Augenhöhe musste der Södermarkus noch nie – das ist in seiner CSU-Parteikaderausbildung nicht vorgesehen. Und die Menschen, die sich in Krankenhäusern und Pflegeheimen den A…. aufreissen, wissen jetzt auch Bescheid, wie viel Wert auf ihre eigene Meinung gelegt wird – den Rest erfahren sie über ihre Gehaltsabrechnung.
Nicht minder töricht Bernhard Pörksen, in der Debatte um “Fake News” habe sich ja nun gezeigt, dass sie “potenziell tödlich” seien. Da freut sich der Södermarkus gewiss schon auf das Bundeskanzleramt, in dem er dann nach Herzenslust mit diesem “Argument” regieren kann. Manche meinen ja, das Problem könne am besten “chinesisch” geregelt werden. Die Sache ist komplizierter, als das öffentliche Gerede über sie.
Ja, beim US-Putschversuch gab es Tote. Die Verbrecher, die das zu verantworten haben, gab es aber schon, als die “Fake News” noch gar nicht erfunden waren, weil es “nur” Lügen (und Irrtümer) gab.
“Habenses nicht ‘ne Nummer kleiner?” wäre die temperierte Reaktion. Wenn ich so eine Zusammenballung innerhalb weniger Minuten als DLF-Tagesparole beim Aufwachen höre, dann ist das wie ein zu lautes Glockenläuten: Todesglocken eines demokratisch liberalen öffentlichen Diskurses. “Wehret den Anfängen!” kommt als Parole zu spät, es hat ja schon angefangen. Erst Informieren, dann ganz viel Denken – und dann erst mit dem öffentlichen Schwätzen beginnen. Besser wär das, im Sinne der Gesunden, der Kranken und der Toten. Hier ein Ansatz, wie es gehen könnte.
Und hier noch die gute Nachricht
Leben und Tod in Bonn, soweit von Covid-19 beeinflusst, meldet heute eine 7-Tage-Inzidenz von 118,5. Die täglich gemeldeten Infektionsfälle bilden eine erfreulich absteigende Reihe 89-74-57-37-37-32. Die Belegung von Krankenhausbetten durch Covid-19-Erkrankte liegt in Bonn (Stand gestern) bei 192, am 29.12. waren es noch 195.
Einerseits macht das Hoffnung. Andererseits sind Epidemien erst vorbei, wenn sie überall vorbei sind.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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