Wie einst Ikarus war er der Sonne nahe. Einem wohlhabenden fränkischen Adelsgeschlecht entstammend. Der Großvater gleichen Namens war Parlamentarischer Staatssekretär im Bonner Bundeskanzleramt gewesen, der Vater Dirigent. Mit Anfang 30 in den Bundestag gewählt, außenpolitisch ambitioniert, CSU-Generalsekretär, 2009 zum bis dahin jüngsten Wirtschaftsminister ernannt, danach Bundesminister der Verteidigung. Promotion mit „summa cum laude“. Selbst Neider (er sei im Smoking aufgewachsen) und Kritiker (er hänge die Fahne nach dem Wind) gaben sich sicher: Karl-Theodor zu Guttenberg wird CSU-Vorsitzender und vielleicht Nachfolger der Bundeskanzlerin. KT – so das Kürzel – war Lieblingsobjekt der Medien, Regenbogenpresse inbegriffen. Er war Projektionsfläche und Traum von Mühseligen und Beladenen, die sich solch einen Typ in der Politik wünschten: gebildet, reich, weltgewandt.
Dienstag vor zehn Jahren begann ein Absturz, wie ihn die Bundesrepublik Deutschland noch nicht erlebt hatte. Am 16. Februar 2011 wurde publik, Guttenberg habe bei seiner Doktorarbeit mehr als gemogelt. „Plagiat“ kam in den allgemeinen Sprachgebrauch. Zwei Wochen lang wurde die Sache durchgewälzt, monothematisch in Talkshows und sogar im Feuilleton. Eine Kabinettskollegin schämte sich „nicht nur heimlich“. Es reichte nicht, dass er erst „vorläufig“ und dann ganz auf den Doktortitel verzichtete. Das Strahlen verblich und der Nimbus auch. Am 1. März trat KT zurück und verließ die Politik.
Weil der Schein einer Lichtgestalt getrogen hatte, zeitigte der Absturz Folgen über ihn hinaus. Minderschwere Plagiatsfälle rissen Berufskolleginnen Guttenbergs in den Abgrund. Andere zappeln noch. Nicht mehr Glamour im Erscheinen war gefragt, sondern Biederkeit im Auftreten. Anforderungen an die Integrität der politischen Akteure, was sich gehöre und was nicht, wurden in Medien und Parteien geschärft – bis hin zur Gnadenlosigkeit. Christian Wulff hat es als Bundespräsident erlebt und Peer Steinbrück als SPD-Kanzlerkandidat. Auch das Ansehen Angela Merkels hat damit zu tun. Sogar die innerparteilichen Niederlagen von Friedrich Merz? Unbeantwortet bleibt die Frage, ob Markus Söder heute CSU-Chef, Ministerpräsident und potentieller Kanzlerkandidat wäre, wenn es Guttenbergs Fall nicht gegeben hätte. Aufzuräumen ist mit einer Legende: Nicht Merkel hat die Wehrpflicht abgeschafft. KT ist es gewesen.
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