Falsche Alternativen führen in die Irre
Mitten in der Corona Krise und der Diskussion um Grenzschließungen und Osterurlaub poppt plötzlich ein Thema auf, das scheinbar nichts mit Corona zu tun hat und doch im Kern auch sehr viel, denn wer im Lockdown in den eigenen vier Wänden mit ein bisschen Land Drumherum lebt, ist absolut privilegiert. Und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es Anton Hofreiter mit seiner Breitseite gegen das Einfamilienhaus auch um dieses Privileg ging. Neid war aber noch nie ein guter Politikratgeber und der Untergang der SPD ist dafür ein gutes Beispiel. Die Grünen täten gut daran, sich nicht nur beim Thema Wohnen daran zu erinnern. Die Menschen wollen keine Verbote, sondern bessere Alternativen. Dann kommen sie von ganz alleine.
Man kann in einer Stadtwohnung mit bodentiefen Fenstern Marke XXL Wärmeschutz und Erdwärmeheizung leben, sich einmal in der Woche die Grüne Kiste nach Hause bringen lassen und trotzdem eine Klimasau sein. Das fängt beim SUV in der Tiefgarage und dem Zweitauto vor der Haustür an und reicht bis zum Kurzurlaub auf den Malediven.
Und man kann natürlich auch auf dem Land im eigenen Haus wohnen und trotzdem nachhaltig leben. Das fängt beim eigenen Garten an, reicht über möglichst hohe Energieeffizienz im Haus, Home Office, auch wenn Corona es nicht mehr gebietet, und geht über intelligente persönliche Mobilitätsplanung und –organisation bis zu ökologisch verantwortungsvoller Urlaubsplanung.
Bei der Frage, wie wir die Klimakatastrophe abbremsen, geht es nicht um die Alternative Eigenheim oder Stadtwohnung. Mit anderen Worten. Es geht nicht darum, wo wir leben, sondern darum, wie wir leben, zumal es sich nicht jeder aussuchen kann, wo er lebt.
Natürlich ist der individuelle Flächenverbrauch nicht unbeachtlich. Die mit SUVs zugeparkten Altstadtviertel und die Neubaugebiete mit stereotyper Kastenbauweise, die ebenfalls völlig zugeparkt sind und bei denen die Bewohner ihren privaten Flächenverbrauch auf öffentliche Verkehrswege erweitern, sind genauso ein Beleg dafür, wie die Eigenheimsiedlungen an den Rändern der Klein- und Mittelstädte, deren sterile Gärten eine einzige Demonstration von Ablehnung der Natur sind.
Grund und Boden sind nicht vermehrbar
Natürlich ist es sinnvoll, den ungebremsten Flächenverbrauch im Umfeld der Städte zu beenden und Freiflächen in den Städten zu erhalten. Das Statistische Bundesamt registriert den Anstieg der versiegelten Fläche für Verkehr und Bebauung mit 56 ha pro Tag, das sind 56.0000 m2. Das entspricht in etwa 8 Fußballfeldern.
Eine ökologisch ausgerichtete Wohnungspolitik muss den Hebel da ansetzen, wo er die größte Wirkung erzielt. Der größte Kostenfaktor beim Bauen ist der Grundstückspreis und deshalb zieht es die Menschen nach wie vor auf das Land, weil dort die Preise vergleichsweise immer noch deutlich niedriger sind als in der Stadt. Es ist nicht die Landlust-Idylle, sondern der niedrigere Grundstückspreis, der die junge Familie die Mobilitäts- und Infrastrukturnachteile auf dem Land in Kauf nehmen lässt.
Will man das Pferd also nicht vom Schwanz her aufzäumen, gilt es dem ungebrochenen Anwachsen der leistungslosen Bodenwertgewinne ein Ende zu setzen. Die Mietpreisbremse ist erwiesenermaßen ein stumpfes Schwert. Der im Juli 2020 verstorbene ehemalige Oberbürgermeister von München (1960 bis 1972) und Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (1972 bis 1974) und Bundesminister der Justiz.(1974 bis 1981) Hans-Jochen Vogel hat dazu ein Jahr vor seinem Tod eine Denk- und Streitschrift vorgelegt, die die wesentlichen Stellschrauben benennt, nämlich die Vermehrung des Gemeindeeigentums in den Ballungsräumen und die Vergabe der Grundstücke nur auf Zeit im Wege der Erbpacht. Darüber und die anderen Vorschläge würde es sich lohnen zu streiten, auch im Bundestag. Die Verfechter des Leistungsprinzips müssten erklären, warum leistungslose Vermögensvermehrung nicht gegen die Sozialpflichtigkeit des Eigentums gem. Art. 14 GG verstößt.
Neue Pflöcke braucht das Land
Der Künstler Klaus Staeck provozierte 1972 mit seinem Plakat »Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen«. Der ursprüngliche Anlass für das »Arbeiter«-Plakat war lt. Staeck eine Verleumdungskampagne aus dem Umfeld der CDU gegen die SPD. Vielleicht bestellen die Grünen jetzt ein neues Plakat bei Klaus Staeck mit dem genderkonformen Motto „Bürgerinnen und Bürger! Die Grünen wollen Euch Euer Eigenheim wegnehmen“. Aber Achtung. Satire wird nicht immer als solche erkannt.
Der anstehende Bundestagswahlkampf, der nach Auffassung vieler sog. Meinungsmacher auf ein schwarz-grünes Bündnis hinauslaufen wird, böte eine gute Gelegenheit die Pflöcke an der richtigen Stelle zu setzen. Das Bodenrecht und die Wohnungspolitik wären ein passendes Terrain dafür. Es wäre in einer naturgemäß kontroversen Debatte zu klären, wie wir in Stadt und Land leben wollen und was wir uns noch an Flächenversiegelung leisten können und wollen. Unterschiede und Profile, die nicht immer unbedingt entlang der Parteigrenzen verlaufen müssen, dürften dabei schnell deutlich werden. Auch könnte sich herausstellen, dass es vielleicht ja doch noch Alternativen zum Traumpaar Söder/Baerbock gibt. Und das wäre ja nicht der schlechteste Nebeneffekt.
Der Autor arbeitet als Publizist und Rechtsanwalt in Emsdetten. 1976/77 war er Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und gehörte dem Bundesvorstand der FDP an, die er 1982 wegen ihres Koalitionswechsels zur CDU verließ. Er veröffentlichte bereits 1972 einen Dokumentationsband zur Reform des Bodenrechts in der von Prof. Ingo von Münch herausgegebenen Reihe „Aktuelle Dokumente“.
Die Grünen haben ein besonderes Talent, in Wahljahren Themen, bei denen sie prinzipiell das Gute wollen, in die Falle des eigenen Messianinmus tappen und sich selbst zum Opfer machen. Ob 5 Mark pro Liter Benzin, Veggie-Day oder nun S’Häusle – am 14. März ist Landtagswahl in Baden-Württemberg es ist arschknapp zwischen CDU und Kretschmann – da bringt ihm Hofreiter ein derartiges Danaergeschenk. Wenn D’r Minischterpräsident es nicht mehr wird, kann er eine Dankeskarte nach Bayern schicken. Der Fall zeigt, dass Grüne Spitzenkräfte weder strategisch nachdenken, noch die Dinge zuende analysieren. Sich mit den Kapitalverhältnissen der Immobilienbranche, insbesondere der Rolle von Blackrock zu befassen und hier die oben genannten richtigen Konsequenzen zu ziehen, wäre weitaus produktiver und intelligenter gewesen – aber das ist viel verlangt, von einer Partei, die immer wieder Politik mit persönlicher Verhaltensänderung durch erhobenen Zeigefinger verwechselt.
https://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen/klarstellung-interview-anton-hofreiter
Ich habe das Interview eben erst in Gänze gelesen und sehe ganz und gar nichts, wo ich Anton Hofreiter hätte wiedersprechen wollen. Leider gibt die hier publizierte Version nicht auch die Namen der Befrager*innen her. Wäre interessant nur um zu sehen, wie sie zu anderen Themen und Interviewpartnern verfahren. Für mich haben sie sich diskreditiert.
Allerdings hat Hofreiter auch Fehler gemacht. Ein einfaches “Nein” hätte als Antwort schon bei der zweiten Frage gereicht. Einen erhobenen Zeigefinger sehe ich nicht. Doofe Antworten auf noch viel dööfere Fragen allerdings.
Ich frage mich selbst: Warum sollte jemand, der in Hamburg-Nord ein ein Einfamilienhaus bauen will, ausgerechnet dort ein Grundstück kaufen, wo der Bebauungsplan es nicht vorsieht? Warum baut Tesla in Grünheide, statt auf dem Tempelhofer Feld? Das ist doch eine furchtbar abstruse Diskussion…
Bebauungspläne sind ein Instrument der Kommunen. Zu Risiken und Nebenwirkungen konsultieren sie bitte ihre*n Bürgermeister*in oder Bezirksvorsitzende*r. Selbst der Bundesminister für das Innere, Bau und Heimat hätte da kaum was zu bestimmen. Dieses Recht üben die Kommunen aus. Ihre Entscheidungen kann mensch im Einzelfall begrüssen oder ablehnen. Aber ganz sicher nicht verbieten! So wurde aus politischen Verwaltungsakten dankbares Futter für die Shitstormmaschine.
Ansonsten: Die Analyse von Hanspeter Knirsch ist trotzdem richtig, wenn man vom “Neidgedanken” einmal absieht!
Offenlegung: Der Kommentator hat in seinem Leben schon viele Bebauungspläne “gelesen” und wohnt in der wohl flächenfressendsten Variante eines Einfamilienhaus, einem durchrenovierten Bungalow mit großem Garten, Garage und viel Platz. Baujahr 1973. Da war Anton Hofreiter drei Jahre alt und Herr Seehofer noch Amtsjungbote in Ingolstadt.