Olaf Scholz und die SPD
Zum Auftakt des Bundestagswahlkampfes wurde am Sonntag in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gewählt. Interessanter als die Ergebnisse waren die Reaktionen auf sie. Wer die Auszählung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verfolgte, konnte den Eindruck gewinnen, die Republik stünde kurz vor dem Machtwechsel. Für diesen Eindruck sorgte vor allem die SPD. Ihre Politiker, allen voran ihr Kanzlerkandidat Scholz, bemühten sich sehr, den Zuschauern potemkinsche Dörfer zu präsentieren.
Die Wähler verwirren
Die SPD feierte sich am Sonntag als Wahlsieger. Sie sieht sich auf dem Weg, stärkste Kraft einer künftigen Ampelkoalition zu werden. Ihr Kanzlerkandidat Scholz gibt vor, sein Weg ins Kanzleramt sei mit den beiden Landtagswahlen bereits vorgezeichnet.
Ein Blick auf die Wahlresultate reicht, um zu erkennen: Die SPD und Scholz leiden entweder unter Realitätsverlust, oder sie wollen die Wähler verwirren. In Baden-Württemberg verlor die SPD 1,7 Prozentpunkte. Sie schrumpfte um mehr als 13 Prozent. Sie kommt auf mickrige elf Prozent und hatte Glück, nicht einstellig zu werden.
Dem schlechten Erscheinungsbild geschuldet
Dass sie in Rheinland-Pfalz stärkste Kraft geblieben ist, freut sie riesig, und das aus gutem Grund. Kurz vor der Wahl lag sie noch deutlich hinter der CDU zurück. Der Rückstand kam nicht von ungefähr. Er war dem miserablen Erscheinungsbild der rheinland-pfälzischen SPD geschuldet.
Dass sie die CDU noch überholten konnte, verdankt sie dem schlechten Pandemie-Management der CDU-Bundesminister. Doch selbst unter diesen günstigen Vorzeichen verlor die SPD in Rheinland-Pfalz 0,5 Prozent, ein Ergebnis, das alles andere als bärenstark ist.
Fast zum Kollegen von Felix Krull gemacht
Die SPD feierte – nicht nur, weil sie erleichtert war, dass die Resultate nicht noch schlechter ausfielen. Sie redet ihre mageren Ergebnisse schön, weil sie eine Entwicklung in Gang setzen will, die bisher nicht erkennbar war: Die Wähler sollen den Eindruck gewinnen, ihre Stimme für die SPD bei der Bundestagswahl sei nicht vergeudet, sondern könne die Machtverhältnisse im Bund ändern.
Der Zustand der SPD legt diese Perspektive ganz und gar nicht nahe. Die SPD liegt im Bund wie in Zement gegossen bei 15, 16 Prozent. Im Vergleich mit dem schlechten Ergebnis der Bundestagswahl 2017 ist die Partei um ein Viertel geschrumpft. Im Bund ist sie hinter den Grünen nur noch dritte Kraft. Dass für eine Partei dieser geringen Größe ein Kanzlerkandidat antritt, macht ihn schon fast zu einem Kollegen von Felix Krull.
Zum Zwerg gemacht
Heute präsentiert die SPD den Wählern Scholz als einen politischen Riesen. Dabei hat sie ihn vor eineinhalb Jahren selbst zum Zwerg gemacht. Eine Mehrheit ihrer Mitglieder lehnte es ab, ihn zum SPD-Chef zu wählen.
Die Partei ist gespalten. Ihr linker Flügel hätte lieber Fraktionschef Mützenich zum Kanzlerkandidaten gemacht. Scholz kam dessen Nominierung zuvor, als er sich am linken Flügel vorbei zum Kandidaten ausrufen ließ.
Als Aufschneider präsentiert
Er hat mit Handicaps zu kämpfen. Er wird für blass, dröge und bürokratisch gehalten. Lange galt er als verlässlich. Dieses Image beschädigte er selbst, als er in der Pandemie begann, gegen die eigene Regierung Opposition zu betreiben. Er warf dem Koalitionspartner Managementprobleme vor, die er selbst verursacht hatte.
Er schreckte auch nicht davor zurück, sich als Aufschneider zu präsentieren. Er spielte sich als Pandemie-Manager auf, der neben seinem Amt als Finanzminister auch noch die Arbeit des Gesundheitsministers erledige. Fern aller Realität versprach Scholz für Ende März 10 Millionen Impfungen pro Woche. „Dafür habe ich gesorgt.“ Diese Großspurigkeit kann ihm und der SPD schon bald auf die Füße fallen.
Den Kandidaten groß geredet
Wer die SPD in Bund und Land über längere Zeit beobachtet hat, der weiß: Sie neigt dazu, potemkinsche Dörfer zu bauen: Sie dienen dazu, vor Mitgliedern und Wählern jene Probleme zu verbergen, die der Partei seit Jahrzehnten anhängen und die sie bisher weder mildern noch lösen konnte.
So, wie sie heute Scholz groß redet, pumpte sie vor vier Jahren ihren damaligen Kanzlerkandidaten und Vorsitzenden Schulz zum Giganten auf. Als sie mit ihm in den Umfragen 30 Prozent erreichte, fühlte sie sich an die Ära Brandt erinnert und so gut wie sicher im Kanzleramt. Die Jusos, die heute in der SPD die Strippen ziehen, ließen sich damals von ihm animieren, ihm zuzujubeln.
Um ein Fünftel geschrumpft
Der damalige Höhenflug endete mit dem Absturz. Die Umfragewerte sanken. Bei der Bundestagswahl schrumpfte die SPD gegenüber der Wahl 2013 um ein Fünftel. Die Partei wollte in die Opposition, ging dann aber doch in die Regierung. Schulz wurde aus dem Vorsitz gedrängt. Die Jusos übernahmen das Ruder. Sie sorgten dafür, dass mit Walter-Borjans und Esken zwei krasse Außenseiten die Parteispitze übernahmen.
Beide versprachen vollmundig, die SPD bis Ende 2020 auf 30 Prozent zu katapultieren. Sie haben es bis heute nicht geschafft, die SPD auch nur in die Nähe der 20 Prozent-Marke hochzuschieben. Seit drei Jahren unterbietet die Partei diesen Wert deutlich.
Das Kanzleramt in Reichweite gesehen
Die jüngsten Bemühungen der SPD, sich wichtiger zu machen, als sie ist, sind ein Ausdruck von Verzweiflung. Aus eigener Kraft kam die Partei bisher nicht voran. Nun hofft sie, dass die Union weiter abstürzen und die Ampelkoalition in Reichweite rücken wird.
Sollte sich der Traum erfüllen, würde die neue Koalition wohl nicht von Scholz, sondern von einem grünen Politiker geführt. Ob sich der Traum von der Ampel erfüllt, ist jedoch ungewiss. Anfang 2017 glaubte die SPD zwei, drei Monate lang fest daran, das Kanzleramt wäre in Reichweite. In Wahrheit machte sie gerade den nächsten Schritt bei ihrem Niedergang. –
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