“Kein Verzehr von Grünkohl und Gemüsearten wie Mangold, Spinat, Pflücksalat, Feldsalat, Rucola, Rübstiel, Staudensellerie sowie von Kräutern.” So lautet die Empfehlung des Bottroper Oberbürgermeisters Bernd Tischler für grosse östliche Gebiete seiner Stadt. Verursacherin ist die Kokerei Prosper im Eigentum des grössten Stahlkonzerns der Welt Arcelor-Mittal. Vor 2011 gehörte sie zur Ruhrkohle AG. Sie steht dort schon seit 1928, vier Jahre, bevor meine Eltern zur Welt kamen. Meine Mutter hat sie vermutlich ins Grab geführt.
Mein Elternhaus in Essen-Karnap steht nur wenige Meter von der Bottroper Stadtgrenze entfernt. Seit 1969 haben wir es bewohnt, also lange bevor, wie der Wikipedia-Eintrag beschreibt, “zwischen 1982 und 1989 … die Koksbatterien komplett durch moderne Technik ersetzt” wurden. Wie weit diese “moderne Technik” heute reicht, hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) nun mal wieder nachgemessen, und die Bottroper Stadtverwaltung angemessen schockiert. Was mag die Stadt Essen dazu meinen? Filtriert die begrenzende Bundestrasse 224 die Luft so effizient, dass die Schadstoffe vom Westwind nicht weiter getragen werden können?
Ich muss gestehen, ich bin etwas traumatisiert. Bei uns zuhause gab es im Winter so häufig Grünkohl aus eigenem Anbau, der für besonders “gesund” gehalten wurde, dass ich ihn nach meinem Auszug 1976 jahrzehntelang nicht mehr essen mochte (heute geht es wieder gut). Meine Eltern und jüngeren Geschwister genossen ihn wesentlich länger. Meine Mutter ist 2011 an Krebs gestorben.
Schadstoffe über lange Zeit genossen können lebensgefährlich sein. In Beuel ist es still geworden um die Cadmium-Belastungen im Boden, die in den 80er Jahren einen lokalen Skandal auslösten. Die Stille hilft nichts. Denn Cadmium ist nicht flüchtig, sondern reichert sich im Gegenteil über lange Zeiten an. Zuviel Rummel darum könnte schädlich sein für die Entwicklung der Immobilienpreise in Beuel.
Mein Resümee: die Sensibilität und der wissenschaftliche Stand der staatlichen Umweltverwaltung hat sich stark verbessert, oftmals übrigens angetrieben durch die “böse bürokratische” EU. Hätte meine Mutter später gelebt, hätte sie vielleicht überlebt.
Staat vor Privat
Was wir der staatlichen Bürokratie oft und zurecht vorwerfen, ist in privaten Organisationsformen nicht besser. Oft im Gegenteil. Am schlimmsten wird es, wenn die schlechten Eigenschaften von beiden ein Aktionsbündnis eingehen, wie im Wirecard-Skandal, über den Michael Maier/Berliner Zeitung lobenswert kontinuierlich berichtet. Das nannten manche Jusos, als sie noch wissenschaftlich arbeiteten, “staatsmonopolistischen Kapitalismus”. Kanzlerkandidat Olaf wird sich erinnern; jetzt liegen diese Leichen in seinem Keller.
Letzte Kommentare