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Intensivstationen – so what?

Die Covid-19-Patient*inn*en auf Bonner Intensivstationen belegten um die Jahreswende 54 Betten. Zwischenzeitlich war diese Zahl auf 26 gesunken, ist aber wieder auf bislang 39 gestiegen. Niemand, die*der noch halbwegs bei Trost ist, kann bezweifeln, dass diejenigen, die diese Patient*inn*en professionell betreuen, nun schon seit über einem Jahr eine aussergewöhnlich anspruchsvolle und belastende Arbeit leisten. Doch wie wird es ihnen gedankt?
Ein Stationsarzt auf einer Intensivstation verdient derzeit geschätzt zwischen 3- und 5.000 €, brutto. Damit kann mann auskommen, reich wird damit niemand. Seine besserverdienenden Chefs haben gestern die Trommel für strengere Lockdowns gerührt, ein Akt ihrer Verzweiflung. Denn ihr Hauptproblem ist nicht der Mangel an Betten, auch nicht der Mangel an Technik und Maschinen, sondern der Mangel an qualifiziertem Personal.
Das Pflegepersonal auf Intensivstationen ist es, was entkräftet zusammenbricht. Die Zusatzausbildung einer*eines Pfleger*in für Intensivstationen dauert gewöhnlich zwei Jahre. Wäre also zu Beginn der Pandemie begonnen worden, zusätzliche Menschen dafür zu gewinnen, wären sie in knapp einem Jahr fertig ausgebildet. Doch wer mag sich dafür melden? Hier erfahre ich: “Fachkräfte für Intensivpflege verdienen zwischen 2.000 – 3.000 Euro brutto im Monat.” An einem beliebigen Gehaltsrechner ergibt das in Steuerklasse 1 (unverheiratet) ein Netto zwischen 1.400 und 2.200 €. Wohlgemerkt: mit dieser zweijährigen Zusatzausbildung? Können Sie das glauben? Ich nicht.
Und jetzt: alle, die das machen würden, bitte einmal deutlich aufzeigen.
Danke, schade eigentlich.
Was können wir tun?
Erstens in die Gewerkschaft eintreten, die bessere Tarifverträge durchsetzen muss.
Zweitens Mieten senken, preisgünstige Wohnungen anbieten für solche Leute; Freikarte für den Verkehrsverbund inkl.; bei Nachtschichten kostenlosen Shuttledienst durch den Betrieb/die Klinik.
Drittens einen Gesundheitsminister einsetzen, der sich nicht als “Netzwerker” für seine IT-Spezis und Sponsoren, sondern als öffentlicher Anwalt für diese Leute begreift. Er muss auch nicht nach Mexico fliegen, um die zu suchen.
Viertens: Schnupper-Praktika für Studienanfänger*innen, inkl. einer Startprämie, wenn sie sich für so eine Ausbildung entschliessen.
Fünftens: 1.000 € steuerfreie Sonderprämie für alle, die seit einem Jahr oder länger diesen Job machen; und das jährlich.
Sechstens muss mindestens der untere Rand des aktuellen Gehaltsspektrums verdoppelt werden. Ver.di, bitte übernehmen Sie.
Nur mal so als erste Ideensammlung.
Helfen würde schon, wenn gegenwärtige oder zukünftige Regierungsparteien sich mit Pflegepersonal zusammensetzen, am besten ohne TV-Kameras – die haben bestimmt noch weit bessere Ideen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Annette Hauschild

    Absolut recht hast Du. Das sind total gute Vorschläge. Wie kann man die in praktische Politik umsetzen? Wie kann man organisieren, dass z.B. die Grünen sich mit Pflegerinnen /Pflegern zusammensetzen und sich nach der Wahl an das halten, was besprochen wurde? Sollten NGOs oder verdi z.B. die einzelnen KandifdatInnen vor der Wahl mit Forderungen konfrontieren? Wahlprüfsteine?

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