Gerade haben die Grünen in einer perfekten Inszenierung das von vielen vermutete Geheimnis gelüftet: Die einzige Frau, die beansprucht, die Nachfolge Angela Merkels anzutreten, wird wohl  Annalena Baerbock sein. Der entsetzliche Hähnchenkampf der CDU/CSU zwischen Armin Laschet und Markus Söder hat gleichzeitig deutlich gemacht, dass die Union personell und inhaltlich am Ende ist. Besonders erbärmlich ist, dass der Pandemieversager Söder mit den höchsten Inzidenzwerten aller Bundesländer mit seiner durchsichtigen Taktik, seit Herbst 2020 vor jeder Ministerpräsidentenkonferenz den starken Lockdown-Max zu markieren, um anschließend Baumärkte offen zu lassen oder andere Sonderwünsche der Wirtschaft zu bedienen, durchgekommen ist.

Mit seinen populistischen Methoden konnte er nicht nur viele naive Landesverbände der CDU im Osten blenden, er versuchte erfolgreich, zwischen Laschet und die Parteibasis einen Keil zu treiben. Ein befreundeter “Elder Statesman” der CDU prognostizierte am vergangenen Montag: “Armin Laschet wird es machen, aber danach wird es jeden Monat neue Querschüsse aus München geben, um das Ergebnis zu schwächen und wenn das dann bei der Wahl eintritt, wird Laschet dafür verantwortich gemacht”.  Da wird einiges dran sein. Der Machtkampf sollte wohl auch davon ablenken,  dass die CDU/CSU nach 16 Jahren an der Regierung ausgebrannt, ideenlos und rückwärtsgewandt mit neoliberalen Rezepten von Vorgestern agiert. Aber selbst daraus versuchte Söder noch in seinem Rückzugsgefecht Profit zu schlagen, indem er sich bei seinen “fortschrittlichen und mutigen” Anhängern bedankte, um die Botschaft zu versenden, dass Laschet vor allem von den alten Männern der Union auf den Häuptlingsschild gehoben wurde. Söder der Kronprinz der Herzen, Lady Di der Union, verschmäht vom Konrad-Adenauer-Haus.

Derartiger Mummenschanz verfängt  bei manchen Journalist*innen der Berliner Republik, wie die Deutung der CDU, Laschet sei mit 77,5% der Stimmen gewählt worden. So sind nach Adam Riese 31 Ja-Stimmen von 46 ganze 67.4%. für Laschet. Die CDU zählt Enthaltungen einfach nicht mit. Von gleicher Qualität ist das “wichtigste” Argument, das angeblich gegen Annalena Baerbock spricht: sie habe keine Regierungserfahrung, sei “nur” Abgeordnete gewesen. Doch beim vielgewünschten, zwischenzeitlich abgehalfterten Feierabendpolitiker Friedrich Merz scheint das niemanden zu stören: der Mann hat nicht mal einen Bürgermeisterposten im Sauerland erobert. Außer CDU-Partei- und Fraktionspolitik hat er in keiner Verantwortung gestanden und schon gar keine Regierungserfahrung aufzuweisen. Trotzdem haben Unternehmer, CDU-Basis und Teile der Öffentlichkeit bis heute nicht aufgehört, seine angebliche Wirtschaftskompetenz zu loben und ihn für kanzlerfähig zu halten.

Überhaupt grüne Kanzlerkandidatin, Frauen, Männer und Sprache: landauf, landab stand zu lesen, dass “die 40-jährige Annalena Baerbock” nun Kanzlerkandidatin der Grünen sei, die “keine Regierungserfahrung” habe. Im Frühjahr war dagegen nirgends zu lesen, dass sich “der 65-jährige Politrentner ohne Regierungserfahrung Merz” zutraue, nicht nur CDU-Vorsitzender, sondern auch Kanzlerkandidat der Union zu werden. Friedrich Merz verdingte sich nach seinem Abgang als CDU-Fraktionsvorsitzender zunächst bei einer Düsseldorfer Unternehmensberatung, für die er für fünfstellige Eurobeträge als Büttenredner vor Unternehmern, die kräftig dafür zahlten,  ihre eigenen Vorurteile von Merz bestätigt zu bekommen. Auch bei der Abwicklung der West-LB wurde er tätig, obwohl er gleichzeitig im HBSC-Aufsichtsrat tätig war. “Frontal 21″ kritisierte, dass Merz 5.000 Euro pro Tag auch samstags und sonntags (insgesamt 1.980.000 Euro für 396 Tage) für „erfolglose Arbeit“ vom Steuerzahler erhielt.  Erst 2016 heuerte er bei der weltgrößten “Heuschrecke” am Kapitalmarkt “Blackrock” als Aufsichtsrat Deutschland an.  Armin Laschet hat übrigens sein Jurastudium nach dem 1. Examen nicht mit Referendariat abgeschlossen, sondern ein eineinhalbjähriges Volontariat beim privaten Münchner Lokalsender  “95.5 Charivari” absolviert. Trotzdem ist aus ihm, wie zu sehen war, ein recht nervenstarker Ministerpräsident und nun Kanzlerkandidat geworden.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net