Wundersame Bahn LXIII
Als Kind bin ich im Wirkungsbereich der “Vestischen Strassenbahnen” aufgewachsen. Ausgerechnet diese Gesellschaft war diejenige im Ruhrgebiet, die die Strassenbahnen 1982 rückstandsfrei abgeschafft und durch Busse ersetzt hat. Die meisten Städte im Ruhrgebiet vergruben die Strassenbahn seinerzeit unter die Erde und nannten sie U-Bahn. Der Urbanität ihrer Städte sowie den städtischen Haushalten, die mit vervielfachten Unterhaltskosten belastet werden, haben sie damit irreparablen Schaden zugefügt. Schön zu sehen war das gestern in diesem Schmuckstück des MDR (von Tom Kühne und Steffi Lischke) über die Stadt Halle.
Strassenbahnen, zumindest wenn sie nicht durch Werbung zugeklebt sind, sind eine tolle Chance eine Stadt zu erleben – als Einwohner*in und als Gast. Sie schaffen Sicherheit durch Öffentlichkeit. Viele Menschen schauen raus, und ebenso viele rein, insbesondere in den dunklen Tagesstunden. In dem erwähnten Film wird schön gezeigt, wie die Menschen in der Bahn durch ihre Infrastruktur miteinander in Kontakt kommen, Konflikte haben, aber auch füreinander da sind. Und wie stolz die Menschen sind, in der und für die Bahn arbeiten. Egal, ob DDR bis 1990 oder BRD heute.
Der MDR-Film funktioniert, gewiss nicht nebenbei, hervorragend als Stadtmarketing Halles, das nach der Wende Magdeburg bei der Entscheidung für die Landeshauptstadt 49:57 unterlegen war. Ich war Anfang der Nullerjahre mal dort. Ich habe dort Szeneviertel gezeigt bekommen, die sich vor der Bonner Südstadt nicht verstecken müssten. Und ich habe auch Halle-Neustadt gesehen, das in dem hier von mir gelobten Film keine Erwähnung findet. Tannenbusch ist dagegen im Vergleich ein Modelleisenbahnviertel. Es ist eher vergleichbar mit Chorweiler – nur dass Halle viel kleiner als Köln ist.
Mit der Strassenbahn die Stadt erkunden – in Halle funktioniert es. In Berlin auch, im Ostteil. In Köln ist der Innenstadtbereich (28 km) im Dunkeln, unter der Erde (besonders ungemütlich: im Tunnel im Stau stehen). In Bonn wurde das teure Vergraben der Linien 61 und 62 zum Glück verhindert. In Stuttgart dagegen – ich berichtete schon – macht Grün-Schwarz es noch schlimmer, als es die Schwarzen alleine schon verbrochen haben. In München koexistiert Strassenbahn neben U- und S-Bahn, in Hamburg dagegen, wo sie einst eine bildhübsche knallrote Farbe hatten, sind sie komplett weg. Viel gelobt wird Karlsruhe, wo Strassenbahnen auf dem DB-Netz mitfahren können.
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