Warum ich immer noch Auto fahre, fragen kopfschüttelnd meine alten Freunde. Wo doch Qualitäts-Politiker*innen und Qualitäts-Wissenschaftler*innen nachdrücklich raten, umzusteigen auf Busse und Bahnen, mindestens aber aufs Velo. Alle Achtung vor Qualitäts-Politiker*innen und Qualitäts-Wissenschaftler*innen. Alle Liebe auch zu meinem eigenen alten echten Gary-Fisher-Bike. Trotzdem verlasse ich mich lieber auf meine theologische Bildung. Und die sagt mir klar: Wer Auto fährt, lebt gesünder. Wer Auto fährt, wird älter, so steinalt wie ich inzwischen bin – viel älter als jene meiner Freunde, die sich aus lauter fatalem Qualitäts-Aberglauben in die öffentlichen Verkehrsmittel pferchen liessen.
Der theologische Beweis? In jener Zeit, als der Orient noch christlich war, im 4. Jahrhundert, gab es dort zwei besonders fromme Lebensweisen: einerseits die Mönche, die sich, religiös korrekt, in Klöstern drängten wie heute die politisch Korrekten in Bussen und in Bahnen, anderseits die Einsiedler, die, weit draussen in der Wüste, jeder unter seiner eigenen Palme, die Freiheit genossen, unbehelligt von Qualitäts-Politiker*innen und von Qualitäts-Wissenschaftler*innen für sich allein einsam und gesund zu sein. Das Erstaunliche nämlich ist, dass die Einsiedler, den Strapazen der Wüste zum Trotz, im Schnitt mindestens zwanzig Jahre älter wurden als die Mönche. Das klassische Beispiel sind die beiden Gründer: der Ur-Einsiedler Antonius und der Ur-Mönch Pachomius.
105 Jahre alt ist der Ureinsiedler Antonius in seiner Höhle am Berg Galala geworden. In fabelhafter Gesundheit. Alle Zähne, schreibt Athanasius von Alexandrien, habe Antonius noch mit 105 gehabt. Seinen Füssen allerdings, fährt Athanasius naserümpfend fort, habe man angesehen, dass er sie 105 Jahre lang nicht gewaschen habe.
Dagegen der heilige Pachomius in seinem mit 1.300 Mönchen vollgedrängten Kloster bei Tabennisi? Er hielt dort, wie die zeitgenössischen Chroniken berichten, auf strengste Hygiene. Jeden Sonntag befahl er allen 1.300 Mönchen den Waschmarsch zum Ufer des Nils. Dennoch ist Pachomius, obwohl nach Antonius geboren, lange vor ihm gestorben. Nur 54 Jahre alt wurde der Ur-Mönch. Die meisten seiner Mitbrüder starben noch jünger. Woran denn?
Von Pachomius heisst es, er sei an der Pest gestorben. Es kann auch eine andere Seuche gewesen sein. Jedenfalls war eine Epidemie schlimmer als die andere. Und sobald einer im Kloster sie hatte, hatten sie alle andern auch. Genauso wie heute die hilflos zusammengepferchten Insass*innen öffentlicher Verkehrsmittel.
Wieviel besser geht es mir in der Einsamkeit meines Automobils! Wann habe ich eigentlich den letzten Schnupfen gehabt? Wann werde ich je die neueste Mutante des neuesten Virus bekommen? Mein Auto ist ja meine rollende Einsiedelei. In meinem Automobil lebe ich heute so gesund wie einst der heilige Antonius in seiner Einsiedelei weit draussen in der Wüste bei Pispir.
Doch jetzt, der schönen Sommerzeit zum Trotz, schleunigst alle Scheiben hochgekurbelt. Denn da kommt schon wieder so ein todessüchtiges Rudel von Velofahrer*innen und will mich, unmaskiert, Viren nach allen Seiten sprühend, überholen. Und wissen nicht, dass man das Velo, und sei es ein echtes altes Gary-Fisher-Bike, nicht mitbringen darf auf die Intensivstation.
Und wenn einer auf die faschistoide Idee käme, mir den Einsiedler-Führerschein vor dem 105. Lebensjahr abzunehmen? Dann wäre ich in meiner grundgesetzlich geschützten Würde als Einsiedler zutiefst verletzt. Mit 105 Jahren wäre ich erst recht beleidigt. Von dem antifaschistischen Shitstorm, den ich dann lostreten würde, habt ihr alle, in euren Bussen und Bahnen, auf euren Velos, maskiert oder unmaskiert, noch gar keine Ahnung!
Avete! Morituros moriturasque vos saluto!
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog des Autors, mit seiner freundlichen Genehmigung.
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