In Bundestagswahlkämpfen zeigen Parteien, was in ihnen steckt. Der SPD gelingt es stets eindrucksvoll. 2013 tanzte ihr Kanzlerkandidat Steinbrück durch alle Fettnäpfchen. 2017 wollte ihr Spitzenkandidat Schulz ins Kanzleramt, obwohl sich die SPD nach der Opposition sehnte. Zur Wahl 2021 hat sich die Partei weiterentwickelt. Sie agiert nun noch skurriler.

Den Widersinn verstärkt

Mit Scholz präsentiert sie den Wählern einen Kanzlerkandidaten, den ihre Mitglieder als Vorsitzenden ablehnten. Zu Parteichefs machte sie mit Walter-Borjans und Eskens zwei Außenseiter. Sie gelten mit der Aufgabe, die Partei zu führen, nach weit verbreiteter Ansicht als überfordert.

Wähler und Beobachter haben sich an die Eigentümlichkeit dieser Personalentscheidungen gewöhnt. Sie bekommt noch größeren Nachdruck durch eine Kuriosität, die sich Beobachtern erst erschließt, wenn sie ein paar Jahre zurückschauen.

Das Gegenteil passiert

Walter-Borjans war von 2010 bis 2017 NRW-Finanzminister. Von Haushalts- und Finanzpolitik verstand er nicht viel. Deshalb beschloss er, als oberster Steuerfahnder von sich reden zu machen. Er kaufte aus der Schweiz CDs mit Daten von Steuerbetrügern, ließ sie verfolgen, dann zur Ader – und sich schließlich als Robin Hood feiern.

Als Walter-Borjans in NRW hantierte, als wäre es Sherwood Forest, regierte Scholz als Erster Bürgermeister in Hamburg. Walter-Borjans gab für den Kauf von CDs Millionen ausgab, um Steuerbetrüger um Milliarden zu erleichtern. Im Hamburg passierte unter Bürgermeister Scholz genau das Gegenteil.

Als Kanzler anpreisen

Unter dessen Verantwortung ließen die Behörden der Hansestadt zu, dass es der in den Cum-ex-Skandal verstrickten Hamburger Bank Warburg erspart blieb, 47 Millionen Euro illegal erzielter Steuererstattungen an den Staat zurückzuzahlen. Während Walter-Borjans damals Robin Hood spielte, gab sein Genosse Scholz den Sheriff von Nottingham.

Wie glaubhaft kann Walter-Borjans heute Scholz als künftigen Kanzler anpreisen? Wie glaubhaft kann Scholz heute seinen Anspruch verkörpern, soziale Gerechtigkeit herzustellen? Die SPD hat einen neuen Wahlkampftrick entdeckt: Sie stellt die Wähler vor Rätsel. Ihr Robin Hood will den Sheriff von Nottingham zum Kanzler machen. Kann das gut gehen?

Über Ulrich Horn (Gastautor):

Begonnen hat Ulrich Horn in den 70er Jahren als freier Mitarbeiter in verschiedenen Lokalredaktionen des Ruhrgebiets. Von 1989 bis 2003 war er als Landeskorrespondent der WAZ in Düsseldorf. Bis 2008 war er dann als politischer Reporter in der Essener WAZ-Zentralredaktion tätig. Dort hat er schon in den 80er Jahren als Redakteur für Innenpolitik gearbeitet. 2009 ist er aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden. Seine Beiträge im Extradienst sind Crossposts aus seinem Blog "Post von Horn". Wir bedanken uns für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe an dieser Stelle.