Autofahrer*inne*n was wegnehmen? Wie weit traut sich Bonn?
Wenn Paris Tempo 30 einführt, wie die französische Nachrichtenagentur AFP es der Welt meldet, wie lange wird es dann noch dauern, bis Bonn es tut? Früher hätte ich hundert Jahre geschätzt. Aber alle gesellschaftlichen Bereiche sind Beschleunigungstendenzen ausgesetzt. Wie viele Jahre Wartezeit wird also die grüne Oberbürgermeisterin einsparen? Der gute Wille ist dokumentiert.
Dieser Beschluss geht – Achtung! Beschleunigung! – auf einen nur drei Monate alten Beschluss des Hauptausschusses des Bonner Stadtrates zurück. Als der General-Anzeiger nun hinter Bezahlmauern darüber berichtete, fanden sich prompt Bürger, die um ihr Freiheitsrecht fürchten, schneller als 30 zu fahren. Wofür haben sie denn das ganze Geld für ihren Schlitten oder panzerähnlichen SUV investiert? Wenn nicht dafür, dass sie die Stärkeren sind?
Aus meiner Nahumgebung kann ich bezeugen, dass Leute, die auf der Rheindorfer Str. über 30 fahren, die StVO-Vorschrift zum defensiven Fahren bereits flagrant verletzen, und sofort aus dem Verkehr gezogen werden müssten. Die meisten tun es auch nicht. Als Bestandteil einer Buslinie ist die Strasse leider baulich kaum zu verengen. Letztes Mittel wäre Shared Space, um die Einhaltung des §1 der StVO zu erzwingen.
Was mich jedoch noch mehr stört, sind die mit Blech vollgestellten – und entstellten – Wohnstrassen. Jeder Quadratmeter, der nicht bei 3 auf den Bäumen ist, wird zugestellt. Eine Freundin im Combahnviertel, die sich einen Fahrrad- statt Autoparkplatz vor der Haustür wünschte, um ihr Fahrrad bei geschlossener Blockbebauung nicht ständig in und aus dem Keller schleppen zu müssen, hat nach ca. 2 Jahren (oder 3? = s.o., “Beschleunigung”) zwei Fahrradstangen vor der Haustür, allerdings auf dem Gehweg, denn ein Rollator kommt da, kein Gegenverkehr vorausgesetzt, immer noch ganz bequem durch.
Glauben Sie mir: Autos machen hässlich – ihr Umfeld und die Insass*inn*en. Im Combahnviertel z.B., das zu 46% Grüne in den Stadtrat gewählt hat, und in dem die OB 63% erhielt, könnte es kinderfreundlich und regelrecht schön zugehen, wenn da nicht dieses Blech alles vollstünde. Wer traut sich was?
PS: Tempo 30 gälte auch für Fahrräder, ob mit oder ohne “E” – ein schöner Gedanke.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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