Angela Merkel kennt den rasiermesserscharfen Grat, der Gehöriges von Unangemessenem trennt. Bis in die Kleiderordnung hinein beherrscht die Kanzlerin beim öffentlichen Auftreten die subtilen Gesten – angesichts der Katastrophe, des Leids und der Opfer dieser Tage. Zwei Besuche hat sie den heimgesuchten Gebieten abgestattet: Den ersten in Adenau in Rheinland-Pfalz, Hand in Hand mit der SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer, den zweiten in Bad Münstereifel in Nordrhein-Westfalen im Beisein Armin Laschets, des Ministerpräsidenten und CDU/CSU-Kanzlerkandidaten.
In Adenau will sich Merkel schon Ende August ein zweites Mal anschauen, wie weit die Aufräumarbeiten gediehen sind, gewiss abermals zusammen mit der Sozialdemokratin Dreyer. Die zweite Visite in Bad Münstereifel aber, so kündigte sie an, wird sie erst viel später abhalten, nach der Wahl und vielleicht sogar erst dann, wenn sie nicht mehr als Kanzlerin amtiert. Vorher wäre Laschet wieder an ihrer Seite gewesen. Zu viel des Guten? Merkel will sich vom Wahlkampf nicht vereinnahmen lassen.
Gummistiefelpolitik
Erinnerungen an die Urmutter aller Flutkatastrophenwahlkämpfe: Hochwasser an der Elbe 2002, Tote, Verletzte, Zerstörungen. Gerhard Schröder setzte einen Kabinettsausschuss ein. Kurzfristige Hilfen gab es und einen Besuch des Kanzlers im Katastrophengebiet auch. Die Unterstellung, Schröder habe Flut und Opfer für seinen Wahlkampf eingespannt, blieb wirkungslos. Ein Kanzler darf sich nicht im Amt einbunkern. Regenjacke und Gummistiefel aber wurden zum Symbol seines Wahlsieges wenige Wochen später. Merkel beließ es bei Strickjacke und kräftigem Schuhwerk.
Sollte Armin Laschet bei der Wahl nicht wie gewünscht abschneiden, steht das Urteil fest: Es lag an seinem Fehlverhalten, als er hinten mit Nachbarn feixend zu sehen war, während Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorne einfühlsame Worte an die Opfer der Katastrophe richtete. Laschet wurde ertappt. Der Macht der Bilder hat er zu begegnen. Er hat sich entschuldigt, auch im Fernsehen. Er sucht dem Erfordernis zu genügen, dass Politiker sich zu kümmern und als öffentliche Person stets den Blick der Wähler zu beachten haben. Die wirkungsvollste Inszenierung dabei ist immer noch die, die nicht als Inszenierung erscheint. Wahlkampf in Permanenz: Auch Forderungen, es solle ein Fairnessabkommen geben und beizeiten müsse der Wahlkampf auch einmal ruhen, sind ein Mittel desselben.
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