Über den Krieg in der Bourgeoisie
Sortiert sich die internationale Bourgeoisie nach den wirren verlustreichen Trumpjahren neu? Vieles deutet darauf hin. Doch um eine Menschheitsmehrheit für eine Einheitsfront gegen den angeblichen Kommunismus Chinas hinter sich zu vereinigen, ist noch harte Arbeit zu leisten, und sind schwierige Aufgaben zu lösen. Denn relevante Kräfte innerhalb der herrschenden Bourgeoisie wollen partout nichts gegen den Klimawandel unternehmen, und Gewerkschaften, Andersdenkende und Andersseiende lieber mit polizeilicher und geheimdienstlicher Militanz unterdrücken und bekämpfen, als sich ewig und drei Tage diskursiv mit ihnen auseinandersetzen zu müssen. Dem, das wissen die faschistischen Fraktionen nämlich ganz genau, ist die Bourgeoisie sowieso nicht gewachsen.
Weltzentrum des Krieges innerhalb der Bourgeoisie sind selbstverständlich immer noch die USA. Dort tobt – nicht erst seit Trump, sondern seit ihrer Gründung – ein ideologischer, zeitweise auch mit Waffengewalt ausgetragener Bürgerkrieg darum, wer überhaupt an Wahlen teilnehmen darf. Trump hat ihn “nur” neu angeheizt. Paul Simon/Jungle World berichtet über den Stand dieser Auseinandersetzung. Eine passende Ergänzung liefert Frauke Steffens/FAZ mit einem Literaturüberblick über die Bücherschwemme zu den Trumpjahren. Ich mutmasse, dass es Joe Biden nicht gelingen wird, diese das Mediengeschäft fördernden Polarisierungen zu “überwinden”. Entweder wird er in eine neue Stagnation hineinsteuern. Oder er muss ein strategisches Bündnis mit den Linken in seiner Partei und Gesellschaft eingehen. Das hätte immerhin Mobilisierungskraft. Aber hat Biden die? Und will die US-Bourgeoisie das?
Radikaler und elementarer stellen sich all diese Fragen in Brasilien. Dort steht immer noch eher zu erwarten, dass der vorherrschende Faschismus den dilettierenden Präsidenten Bolsonaro, der jüngst eine neofaschistische deutsche Partei empfangen hat, abstösst, als dass sich eine starke Koalition des Fortschritts bildet. Über den Stand dieser Dinge berichtet Niklas Franzen/Jungle World. Die rationalen Fraktionen der Bourgeoisie brauchen dann “nur noch” einen realitätstüchtigen Plan, wie sie dieses Brasilien zu einer konsequenten Klimapolitik bewegen wollen.
Die meisten Mitglieder der herrschenden Klasse zeugen Kinder. Es sind trotz aller Verhütungsanstrengungen immer noch so viele, dass die meisten von ihnen nicht zum Mars auswandern können. Es gibt also ein klassenübegreifendes Interesse, menschliches Leben auf der Erde weiter möglich zu halten. Es eilt.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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