Der “Fall Boateng” wirft Fragen an den sportindustriellen Komplex auf
Ein rechtsradikaler alter weisser Mann trieb einst den Wert Boateng-naher Immobilien unwillentlich in die Höhe: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ sagte er einer Zeitung, hinter der angeblich “immer ein kluger Kopf” steckt. Fakenews, Gerüchte, wer blickt da noch durch? So will ich über den Fall Boateng hier auch nicht richten. Das hat ein Gericht getan. Und Martin Krauss/taz hat es sehr sachkundig und abgewogen kommentiert.
Daraus ergeben sich Folgefragen an den sportindustriellen Komplex aus DFL, DFB, Uefa, ARD, ZDF u.a. die Produkte dieser Konglomerate präsentierenden Medien. Wie Martin Krauss (un)schön beschreibt, tun sie so, als hätten sie mit dem Fall nichts zu tun. Wo sie diesen Eindruck zu erwecken versuchen, lügen sie. Was den Fall einer anderen Ex von Herrn Boateng, Katarzyna Lenhardt betrifft, habe ich das hier bereits vor einem halben Jahr kommentiert.
Die seinerzeit von mir aufgeworfenen Fragen stellen sich jetzt erneut. Was tut der sportindustrielle Komplex, damit sich sowas in seinen Produktionsverhältnissen nicht wiederholt? Bekanntermassen zeigt er sich schon davon überfordert, bzw. eher widerwillig, Kinder und Jugendliche vor gewalttätigen Übungsleiter*inne*n zu schützen. Die sind in ähnlich grosser Gefahr wie katholische Messdiener. Welche Eltern wollen das?
Nun soll er auch noch Arbeitsbedingungen organisieren, die gegen toxische Männlichkeit gerichtet sind? Obwohl sich doch mit solchem Image so prima Werbeverträge schliessen lassen?
Journalismus jedenfalls nicht
Und was machen die Geldgeber solcher Produktionsverhältnisse, die TV-Anstalten? Journalismus jedenfalls nicht. Auch die von uns bezahlten ARD und ZDF machen – nichts. Die Sportschau bringt heute solche Strassenfeger wie Kaiserslautern gegen Waldhof, aber keinen Beitrag zu #keinvorbild. Ebenso am Sonntag. Das ZDF-Sportstudio wird zwar heute Abend von einer Frau moderiert und hat Sportlerinnen als Studiogäste. Moderatorin Müller-Hohenstein dürfte mit Herrn Boateng gut bekannt sein, berichtete sie doch regelmässig als Korrespondentin ihres Senders aus Trainingslagern der DFB-Elf. Aber das ist wohl gerade nicht die Lösung, sondern das Problem ihrer Art von Journalismus.
Die Themen von Sport inside morgen Abend (WDR, 22.45 h) sind noch nicht bekannt. Letzte Chance, dass der Sportjournalismus sich nicht erneut nackt macht.
Update: die – wie immer sehenswerten – Themen von Sport inside liegen jetzt vor. Dort wird das Thema nicht aufgenommen. Einen adäquaten Beitrag zum Thema sexualisierter Gewalt von Claudia Beucker gab es gestern in der Aktuellen Stunde des WDR (nur 6 Tage verfügbar). Die hier aufgeworfenen Fragen wurden dort nicht behandelt. Kein Wunder, der Sender ist ja selbst Teil des Problem-Komplexes.
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