Wer wird gestärkt – wer wird geschwächt?
Die kompletten 80er Jahre war ich aktiv mit dieser Frage befasst, in der damaligen westdeutschen Friedensbewegung. Meine Parteimitgliedschaften wechselten in jener Zeit: bis 82 gehörte ich der FDP an, bis 89 keiner Partei, 89 trat ich den Grünen bei. Nach Lektüre der aussergewöhnlich lesenswerten Manöverkritik der Genossin Ines Schwerdtner/Jacobin zum Berliner Volksentscheid “Deutsche Wohnen und Co enteignen”, ist mein spontanes Fazit: vieles hat sich – im Guten wie im Schlechten – auch nicht verändert.
In Schwerdtners Duktus schimmert ein Selbstreferenz-Fehler deutlich durch: ihre Unzufriedenheit mit dem Ergebnis der sich anmassend “Die Linke” nennenden Partei. Ihre Deutung von deren Berliner Wahlergebnis ist komplett falsch. Die Linke ist bundesweit glatt halbiert worden – in Berlin aber nicht. Bei der Bundestagswahl erhielt sie in Berlin 11,4% (-7,3); bei der Abgeordnetenhauswahl waren es 14,0 (nur -1,6!). Letzteres ist gemessen am Bundestrend fast schon ein Wunder. Zum Vergleich Bonn: hier gings von 9,5 abwärts auf 5,4; Köln – als Grossstadt-Vergleich – von 11,4 auf 5,8%).
Das spricht dafür, dass die Wähler*innen klüger als Partei- und Bewegungs-Aktivist*inn*en zwischen verschiedenen Wahlen und Abstimmungen zu unterscheiden wissen.
Es ist eine Gesetzmässigkeit ausserparlamentarischer gesellschaftlicher Bewegungen (geblieben), dass sie nichts auf die Mühlen von Parteien spülen. Das ist gerade ihre Stärke. Wenn sie von einer oder mehreren Parteien dazu instrumentalisiert werden – was nur gelingen kann, wenn sie sich das gefallen lassen – führt das zu einer entscheidenden Schwächung und meistens zum Verlust ihrer Wirksamkeit. Sie bewegen viel mehr als Wahlergebnisse und Mitgliederzahlen: die politische Sozialisation ihrer zahllosen Aktivist*inn*en und das (in der Regel vorübergehende) Selbstermächtigung-Erlebnis noch zahlreicherer Bürger*innen – womit sie eine wirksame Therapie für die Gesundung von Demokratie sind.
Wie nun ein einmaliger oder wiederholter Mobilisierungserfolg politisch verwertet wird – da gewinnt die Intelligenz – oder die Doofheit – von Parteien an Bedeutung. Schaffen sie es, zu liefern? Oder stolpern sie über sich selbst?
Was wird NRW aus dem Berliner Erfolg lernen? Ist es zu heterogen und vielfältig, um Vergleichbares auf die Beine zu stellen? Oder zu dumm dazu? Obwohl: dümmer als Berlin kann ich mir nicht vorstellen. Immerhin ist es hier noch weitgehend gelungen, die Wahlen anständig durchzuführen. Dummheit ist also keine Ausrede. Preiswerte Wohnungen gibt es auch nicht.
Parteien könnten hier Organisationsintelligenz und strategisches Denken einbringen – oder ist es schon abgestorben? Wenn es keine Organisation initiiert, wird was Unorganisiertes (= kaum steuerbares, unkontrolliertes) eines Tages, wenn niemand damit rechnet, entstehen. Wollt ihr das?
Da könnt ihr mal ‘ne Viertelstunde drüber nachdenken! Viertelstunde? Schaffst Du schon!
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