Im Bundestagswahlkampf sind die Grünen mehrfach als Verbotspartei bezeichnet worden, vor allem von der FDP. Dabei wurde der Eindruck erweckt, Verbote seien etwas Verwerfliches und die Grünen daher nicht wählbar. Auch „fake news“ spielten eine Rolle. So wurden Verbotsideen erfunden und grüner Urheberschaft zugeordnet. Gegen solche Vorwürfe und Tricks muss man die Grünen verteidigen. Verbote sind nämlich ein unverzichtbares Regelungsinstrument einer demokratischen Rechtsordnung.

Wir verbieten aktive Sterbehilfe und das Parken auf Radwegen. Unser Grundgesetz verbietet Angriffskriege und regelt das Verbot von Parteien (Art. 21 und 26). Das Rauchen in öffentlichen Räumen und das Befahren der Innenstadt mit alten Dieselfahrzeugen sind untersagt. Die UN-Charta enthält das Verbot der zwischenstaatlichen Gewaltanwendung und das Verbot des Eingriffs in interne Angelegenheiten anderer Staaten (Art. 2 und 7).
Geschäfte dürfen sonntags nicht geöffnet werden, und Minderjährige dürfen keinen Schnaps kaufen. Die Zehn Gebote sind eigentlich zehn Verbote. Es gibt ein internationales Verbot chemischer Waffen und verbotenen Handel mit bedrohten Tieren.

Die EU-Statuten enthalten ein Verbot handels- und wettbewerbsschädlicher Maßnahmen (Art 81 des Vertrags von Rom) und das Verbot der Diskriminierung aufgrund persönlicher Merkmale (Art. 21 der EU-Grundrechte-Charta). Ab 2035 sollen EU-weit keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden. Das Bundesimmissionsschutzgesetz von 1973 enthält eine Vielzahl von Grenzwerten für Immissionen in Luft, Wasser und Boden. Jeder Grenzwert wirkt letztlich wie eine Verbotsdrohung, weil bei seiner Überschreitung der Betrieb der betroffenen Anlage untersagt wird.

Diese Liste ließe sich fast unendlich fortsetzen. Die Grünen sind vielleicht etwas forsch beim Fordern von Verboten, vor allem dann, wenn freiwillige Selbstverpflichtungen und ökonomische Anreize (wie die FDP sie favorisiert), Gebote und Appelle an die Vernunft wirkungslos bleiben. Wenn aus den Reihen der Grünen mal etwas Verwegenes kommt, dann sind es zumeist nicht Parteitagsbeschlüsse, sondern die Meinungen Einzelner oder kleiner Gruppen. Auch die anderen Parteien werden nicht ohne Verbote auskommen, wenn sie ihre Ziele und Versprechen ernsthaft realisieren wollen.

Gerade in der Umweltpolitik sind Verbote ein nicht selten genutzter Eingriff. Das umweltpolitische Instrumentarium umfasst eben nicht nur wirtschaftliche Maßnahmen (Subventionen, Steuervorteile, Umweltabgaben, Zertifikate, Schadensersatz, Zwangspfand u.a.), Planungsrecht, Investitionspolitik, Aufklärung und Kontrolle, sondern auch ordnungsrechtliche Eingriffe, also Verbote, Auflagen und Grenzwerte.

Die Wahl des jeweiligen Steuerungsinstrument ist von verschiedenen Faktoren abhängig: Wie groß ist die Gefährdungslage, wie dringlich also der Eingriff? Sind geeignete Alternativen verfügbar? Wie steht es mit der Handhabbarkeit der Maßnahme aus und mit den Möglichkeiten der Wirkungskontrolle? Wie groß ist die Akzeptanz? Dabei gilt: Manche Entscheidungen erlauben ohnehin nur ein Ja oder Nein und kein Mehr oder Weniger. In vielen Fällen sind Verbote die angemessene Lösung.

In der Beurteilung dieser Aspekte traue ich den Grünen eine höhere Kompetenz zu als den anderen Parteien. Zwei Verbotsforderungen der Grünen unterstütze ich nachdrücklich: Keine Waffenlieferungen in Kriegsgebiete und an menschenrechtsverletzende Regimes. Und es sollte nicht schneller als 130 km/h gefahren werden.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.