Die CDU hat nicht nur die jüngste Wahl verloren. Ihrer Führungselite kam zuvor schon das Gefühl für Anstand abhanden. Es zeichnet sich ab, dass die Probleme, die zur Niederlage führten, unter den Teppich gekehrt werden. Die Union erodiert. Mehr als die Hälfte ihrer Anhänger ist auf dem Absprung. Sie würden es begrüßen, wenn Scholz Kanzler und die SPD Regierungspartei würde. Nach der Wahlniederlage ist dies die nächste Ohrfeige für die Union.
Ohne Mumm
Sie hat die Mängel und Fehler ihres Kanzlerkandidaten Laschet schon im Wahlkampf und gleich nach der Wahl ausgiebig thematisiert. Ihre eigenen bisher jedoch kaum. Die Führungskräfte schweigen sich darüber aus, was an der Partei zu erneuern wäre.
Die christliche Union bietet gesitteten Menschen ein Trauerspiel. Sie ist seit Jahren zerstritten. Sie bemühte sich nicht, die Risse zu heilen, sondern vertiefte sie. Sie ließ zu, dass der CDU-Vorsitzende Laschet von Söder, dem Chef der kleinen Schwesterpartei CSU, unablässig angepöbelt wurde.
Ein Parteienbund, der etwas auf sich hält, hätte Söders schändliches und schädliches Treiben strikt unterbunden, besonders vor der Bundestagswahl, von der jeder wusste, dass sie eine Zeitenwende markiert. Doch in der Union brachte niemand, dem die Größe der Aufgabe bewusst ist, vor der die Republik steht, den Mumm auf, Söder zu stoppen.
Nicht einmal oppositionstauglich
Die CDU ließ ihn gewähren, obwohl er immer wieder ihren Chef angriff. Sie ließ ihn im Regen stehen. Deutlicher kann eine Partei kaum demonstrieren, dass sie verlottert ist. Die CDU schien nicht zu begreifen, dass Söders Griff nach der Kanzlerkandidatur der Versuch einer feindlichen Übernahme war.
Die CDU-Elite hat versagt. Etliche CDU-Anführer taten, als merkten sie nicht, was vor sich ging. Etliche verstärkten Söders Angriffe. Die CDU signalisierte den Wählern: „Es ist egal, was ihr von uns haltet. Es ist gut, dass Söder die Union zerlegt. Wir sind weder regierungsfähig noch oppositionstauglich.“
Dass die Union in diesem Zustand 24 Prozent der Stimmen erhielt, ist sensationell und zugleich beängstigend. Ein Viertel der Wähler wollten die Zukunft der Republik einer Partei anvertrauen, die aus den Fugen geraten ist. Tröstlich ist immerhin, dass ein Drittel der Unionswähler rational reagierte und der Partei den Rücken kehrte.
Die Union gespalten
Dass eine Partei schwach ist, thematisieren gewöhnlich ihre Konkurrentinnen. Klug hielten sie sich diesmal bei der Union zurück. Sie und ihr kopfloses Führungspersonal besorgten das Geschäft treuherzig und überheblich selbst.
Das Bündnis von CDU und CSU soll dem Zweck dienen, beide Parteien zu stärken. Söder arbeitet ihm schon lange entgegen. Er spaltet die Union. Die CDU ließ ihn nicht nur machen. In ihren Reihen fanden sich viele, die es ihm gleich taten und bereit waren, ihm die CDU zu überantworten.
Der Zuspruch zu ihm und die Abneigung gegen Laschet war dort besonders groß, wo Merkels Zuwanderungspolitik, die Laschet unterstützte, besonders verhasst ist. Dort ermunterte die CDU Söder geradezu, seine Attacken gegen Laschet fortzusetzen.
Als Sündenbock angeboten
Laschets Gegner in der Union nahmen die Wahlniederlage in Kauf. Sie wirkten mit, sie herbeizuführen. Sie strebten nicht nach der Mehrheit im Bundestag, sondern nach der Mehrheit in der Union. Nun sind sie es, die besonders laut die Niederlage bejammern. Dass ihr rückgratloses Verhalten bei der geplanten Erneuerung zur Sprache kommt, ist zu bezweifeln.
Mit seinen Fehlern im Wahlkampf hat sich Laschet der Union als Sündenbock angeboten. Dieser Schritt soll dazu dienen, die Partei zu beruhigen. Alle, die ihm das Leben schwer gemacht haben, nehmen sein Angebot gerne an. Viele von ihnen müssten neben ihm auf den Opferaltar liegen.
Laschet bietet ihnen die Chance, ihre Illoyalität hinter seinen Fehlern zu verstecken und den Anschein zu erwecken, sie stünden mit sauberer Weste da und wären fähig, die Zukunft der Partei zu gestalten. Selbst Einfältige in der Union müssten inzwischen erkennen können, dass mancher Riese in der Union sich nun nicht nur klein macht, sondern klein ist, allen voran Söder.
Das Feindbild aufgeschwatzt
Sein bevorzugtes Politikinstrument ist der Bruch der guten Sitten. Er nutzt dessen doppelten Effekt. Er setzt sein Opfer herab. Spricht man ihn darauf an, bestreitet er seinen Ausfall. Er verstärkt den niederträchtigen Angriff mit einer Lüge. Beide dienen ihm dazu, sich über das Opfer zu erheben.
Es ist für CDU und CSU beschämend, dass sie das scheinheilige, abgefeimte Verhalten des bayrischen Trump-Imitators hinnahmen. Überrascht können sie nicht gewesen sein. Söder nutzte diese Methode schon, um Seehofer und Merkel zu demontieren. Söders Verhalten wirkte prägend. Es machte in der Union, aber auch in den Medien Schule.
Wie Trump schwatzte Söder den Wählern und den Medien ein Feindbild auf, in diesem Fall mit Laschet einen Politiker aus den eigenen Reihen. Zwei Umstände halfen Söder. Er machte sich zunutze, dass Laschet in der CDU viele Gegner hat und dass politische ARD-Journalisten in ihrem Arbeitsbereich einschneidende Reformen befürchten, die sie mit dem Einfluss der CDU verbinden.
Die Wähler vertrieben
Die Union verfehlte im Bundestagswahlkampf ihren Daseinszweck. Sie erfüllt ihn schon lange nicht mehr. Immer wieder trug Söder dazu bei, die Spannungen in der Union zu verstärken und CDU und CSU von ihren Regierungsaufgaben abzulenken. Während sich die Welt wandelte, stagnierte Deutschland. Söder und die CSU haben daran einen großen Anteil.
Seine Ausfälle wirkten auf die Union verheerend. Aus Angst vor der aufkommenden AfD ließ er zu, dass sich die CSU 2014 vom EU-Wahlkampf der CDU entkoppelte. Weil die CDU der Existenzangst der CSU nicht hinreichend Rechnung trug, drängte er Seehofer 2015 bei der Zuwanderung in den Konflikt mit Merkel.
Kurz vor der Bayernwahl 2018 betrieb er den Putsch gegen sie. Entsetzt über seine Niedertracht wechselten damals CSU-Anhänger scharenweise zu den Grünen und machten sie stark. Dass die AfD und die Grünen wuchsen, verdanken sie zu einem großen Teil Söder.
Kein Zugpferd mehr
Gleich nach der jüngsten Bundestagswahl machte er klar, dass Laschet der Grund für die Niederlage der Union sei. Doch dann erlebten die Union und die Medien jenen seltenen großen Moment der Wahrheit, den Andersen in seinem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ so eindrucksvoll beschreibt.
Die Junge Union in Bayern gab zu Protokoll, sie schäme sich, dass Söder an der Spitze der CSU steht. Bayerns JU stellte das Gegenteil von dem fest, was vor der Wahl viele Größen in CDU und CSU und viele Medien unablässig behaupteten: Söder ist gar kein Zugpferd.
Bayerns JU traf den Nagel auf den Kopf. Sie stellt die Union und die Medien bloß, die Söders Geschäft gegen Laschet besorgt haben. Nun ist plötzlich angesagt, sich von Söder zu distanzieren. Es rücken viele jener von ihm ab, die gar nicht genug davon bekamen, ihn als Kanzlerkandidaten zu empfehlen.
Den Aufschrei vergessen
Es sind oft die gleichen Leute, die den österreichischen Skandalpolitiker Kurz als Vorbild für Deutschland empfahlen und dessen Nähe suchten, ehe nun aufflog, dass er Medien manipuliert und die Wähler getäuscht hat. Die Kurz-Verehrer stehen nun dumm da. Ihre Schlange reicht von Spahn bis Kuban.
Dass Söder seinen Konkurrenten und Parteifreund Laschet permanent niedermachte und das Versprechen brach, ihn zu unterstützen, hat viele Menschen empört, viele Berichterstatter aber nicht beunruhigt. Wer Wortbruch verabscheut, muss enttäuscht sein, dass in der Union der Aufschrei ausblieb. Dass die Union den Wortbruch hinnahm, entwertet alle ihre Wahlaussagen und ihre Führungskräfte. Sie scheinen es noch nicht begriffen zu haben.
Viele junge Menschen begriffen es sehr wohl. Sie engagieren sich idealistisch für das Klima, die Erde und das Leben und mussten in den Pandemie erleben, wie ihre Perspektiven schrumpften. Derweil zeigte ihnen die Unionselite mit Söder an der Spitze die hässliche Seite der Politik. Viele Jugendliche fanden Söders Rüpeleien und deren Duldung abstoßend und irrational. Viele wählten die Grünen und die FDP.
Viele Mitglieder verloren
Die Union ist mit Einfalt schwer geschlagen. Sie hat sich in der Partei ausgebreitet und hält sie fest im Griff. Die Union fragte sich nicht einmal, warum Söder, koste es, was es wolle und auf Teufel kommt raus unbedingt Kanzler werden wollte.
Er wollte weg aus Bayern. Der Grund für seinen Plan, sich nach Berlin abzusetzen, liegt auf der Hand. Der Einfluss der CSU in Bayern schwindet, auch dank seines Zutuns. Die Partei hat seit 2000 rund ein Viertel ihrer Mitglieder verloren.
Das Risiko, bei der Bayernwahl 2023 noch schlechter abzuschneiden als 2018, ist für Söder groß. Damals stürzte die CSU unter seiner Führung gegenüber 2013 von 47,7 Prozent auf 37,2 – ein fast beispielloser Verlust von 22 Prozent.
Vor Ort nicht gezogen
Die CSU-Bilanz bei Bundestagswahlen ist noch katastrophaler als die bei den Bayernwahlen. 2017 fiel sie von 53,9 Prozent auf 38,8 Prozent, eine Einbuße von 28 Prozent. 2021 kam sie auf 31,7 Prozent – ein Verlust von mehr als 18 Prozent. Bei der Bayernwahl 2023 kann es noch schlimmer kommen.
Seit seiner Niederlage 2018 versucht Söder, seinen Reputationsverlust in Bayern über mehr Präsenz in der Bundespolitik auszugleichen. Doch die Verluste bei der Bundestagswahl zeigen der CSU: Söders hohe Umfragewerte im Bund sind in Bayern wenig wert. Er zieht vor Ort nicht richtig.
Besorgt blickt die Partei auf die Bayernwahl 2023. Der CSU wird zunehmend bewusst, dass Söders unanständiger Umgangsstil auch ihre Wähler in die Flucht schlägt. 2018 machte er Merkel nieder, nun Laschet. Jedes Mal erlitt die CSU großen Schaden.
Frauen abgeschreckt
Seit 2018 gibt es in der CSU unterschwellig Kritik an ihm. Nun wird sie laut. Bemängelt wird, die Diskussionskultur in der CSU habe gelitten. Söder führe die Partei autoritär und missbrauche sie als Kulisse für Solo-Auftritte.
Mit seiner Kraftprotzerei und den rüpelhaften Auftritten schrecke er Frauen ab. Die CSU nimmt auch beunruhigt wahr, dass Söder ohne Plan für die Bundes- und die Landespolitik dasteht. Söders Fans in der CDU scheint der Mangel nicht zu kümmern.
In der CSU wird kritisiert, Söder sei einfalls- und ideenlos. Es reiche nicht, dass er mal die Politik der AfD, dann die der Grünen imitiere. Er habe keine Konzepte, vor allem nicht für jene Politikbereiche, die lange eine Stärke der CSU waren: für die Wirtschaftspolitik und die innere Sicherheit.
Nichts bewegt
Die CSU mag nicht mehr darüber hinwegsehen, dass sie auf dem absteigenden Ast sitzt. Der Machtverlust schreitet rasch voran. CSU-Kommunalpolitiker befürchten, die neue Kooperation zwischen FDP und Grünen werde auch in Bayern Schule machen und die CSU noch mehr Einfluss kosten.
Noch weiß sie nicht, wie diese Entwicklung zu stoppen und umzukehren wäre. Ihr stößt nun aber übel auf, dass Söder alle Zusagen, die er bei seinem Antritt als Ministerpräsident und CSU-Chef machte, bisher nicht einlöste.
Er wollte das Verhältnis zur CDU verbessern. Er hat es verschlechtert. Er wollte Land und Partei im Teamwork führen. Er agiert als Solist. Er wollte die CSU weiblicher und jünger machen. Es bewegt sich nichts.
An Grenzen gestoßen
Die CSU leidet unter Bayerns beträchtlichem Wohlstand. Das Gefälle zwischen Stadt und Land wächst. Das Leben in den Städten wird stetig teurer. Die hohen Preise haben die Speckgürtel im Griff, die sich immer weiter ausdehnen.
Bisher konnte die CSU die Kluft zwischen den Regionen mit Fördermitteln kaschieren, die ihre Bundesminister in Berlin besorgten. Dort abzusahnen, stieß zuletzt jedoch an Grenzen.
Als Kanzler hätte Söder die Pipeline von Berlin nach München weiter stark befüllen können. Doch wie fast alles, was er anpackt, scheiterte auch dieser Plan.
Belastung ersparen
Mit Laschet als NRW-Ministerpräsident hatte Söder im Kampf um Fördermittel aus Berlin einen ernsthaften Konkurrenten erhalten. Unter Laschet als Bundeskanzler einer Jamaikakoalition hätte sich die Lage der CSU womöglich noch verschlechtert. Die Zahl der CSU-Minister wäre minimiert worden und mit ihr die Chance, Bundesmittel nach Bayern zu schaufeln.
Die CSU müsste dann auch vor Ort in Bayern für alle Beschwernisse haften, die eine Jamaikakoalition den Bürgern zumuten würde. Eine solche Belastung will sich Söder ersparen.
Er will nicht, dass die Union in Berlin regiert, wenn er nicht der Bundeskanzler sein kann. Er setzt darauf, dass die CSU bei der Bayernwahl 2023 deutlich besser abschneiden kann, wenn sie im Bundestag in der Opposition sitzt.
Kredit verspielt
Söder wird darauf hoffen, dass sich die Rahmenbedingungen für die nächste Bundesregierung bald verschlechtern und deren Ansehen beschädigt wird. Auch in der CDU geht die Hoffnung um, die Union könne in der Opposition rasch wieder auf die Beine kommen.
Wie die SPD kürzlich von der Schwäche der Union profitiert hat, könne die Union aus der Schwäche der Ampelkoalition Vorteile ziehen. Söders Anhänger glauben, mit einem Erfolg bei der Bayernwahl 2023 im Rücken könnte er die Union an die Fleischtöpfe der Bundesregierung zurückführen.
Solche Überlegungen wirken beim Blick auf den Zustand der Union weltfern und unrealistisch. Ihr fehlen die Voraussetzungen, um das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen. Ihr Führungspersonal hat seinen Kredit verspielt. Auch inhaltlich hat die Union den Wählern kaum etwas zu bieten.
Drei Vorsitzende beschädigt
Die CDU will zunächst ihre Führung erneuern, ehe sie sich mit ihren Defiziten befasst. Statt den Vorstand an Inhalten auszurichten, beschloss die alte, abgewirtschaftete Führung, der neuen Führung die Chance zu verschaffen, die Inhalte auf sich zuzuschneiden. Wie viele Mitglieder des alten Vorstandes werden im neuen sitzen? Vermutlich mehr, als der Partei guttun wird.
Überzeugendes Personal drängt sich nicht auf. Der Verschleiß ist beträchtlich. In drei Jahren brachen der CDU drei Vorsitzende weg. Die Bundesminister der CDU blieben blass oder verspielten ihr Ansehen. Etliche Minister hätte Merkel ablösen müssen, auch die der CSU und einige der SPD.
Zur Erneuerung der CDU drängen sich heute ausgerechnet Politiker, die mitwirkten, sie zu schwächen. Merz nötigte die Partei gleich zweimal in kurzer Zeit, seine Ambitionen auf den CDU-Vorsitz zurückzuweisen. Der Rentner, der mit seinen Niederlagen nicht leben kann, gilt als Mann des 20. Jahrhunderts. Nun kündigt sich sein dritter Anlauf zur CDU-Spitze an.
In Rage gebracht
Dass immer noch jemand in der CDU Röttgen für geeignet hält, die Partei zu erneuern, zeigt, wie schlecht es um sie bestellt ist. Vor nicht einmal einem Jahrzehnt richtete er den größten CDU-Landesverband NRW weitgehend zugrunde. Laschet brauchte Jahre, die NRW-CDU wieder aufzurichten. Wer in der CDU gibt ihm zu verstehen, dass seine speziellen Fähigkeiten bei dem Projekt „Erneuerung“ nicht hilfreich sind?
Spahn gilt unter CDU-Funktionären und Journalisten als Talent. Fußballkenner wissen: Für jemanden, der wie Spahn fünf Spielzeiten im Bundestag hinter sich hat, ist das Wort Talent kein Kompliment, sondern ein Synonym für Mittelmaß. Bei seinem Namen geraten Rentner, die Stammwähler der CDU, mächtig in Rage.
Er bekam die Pflegekrise nicht in den Griff. Er beschaffte zu wenig Impfstoff und trug dazu bei, den Impfstart zu verderben. Die Rentner kehrten der CDU bei der Wahl scharenweise den Rücken. Die Wähler der Union bewerten Spahn sogar noch schlechter als Röttgen.
Die Treue gekündigt
Fraktionschef Brinkhaus wird vielen Wähler kaum bekannt sein. Er war in der alten Fraktion recht beliebt. Er gilt als Freund offener Worte. Heute muss er um die Rolle des Oppositionsführers kämpfen. Ob er die Erneuerung der CDU steuern kann, dürfte für viele Mitglieder eine offene Frage sein.
Aus der Parteijugend wachsen kaum noch Talente nach. Die Junge Union ist inhaltlich vertrocknet. Sie wirkt nicht als Ideenschmiede und Spitze des Fortschritts, sondern als Stütze der rückwärts Gewandten. Die JU verehrt Österreichs Kanzler Kurz, der in Skandalen ertrinkt, und Ex-Kanzler Kohl, der mit illegalen schwarzen Kassen hantierte. Sie dient ihren Mitglieder als Sprungbrett in die Wirtschaft und in die öffentlichen Verwaltungen.
Die JU mit ihrem Vorsitzenden Kuban machte sich für die Kanzlerkandidatur Söders stark und schwächte Laschet. Kuban geht nun auf Distanz zu Söder und kündigte auch seinem Vorbild Kurz die Treue. Dass sich die Junge Union an der Sanierung CDU stark beteiligen will, erleichtert nicht jeden in der Partei. Hier und da geht die Sorge um, die JU könnte in der CDU eine ähnliche Rolle spielen wollen wie die Jusos in der SPD.
Die Vormacht brechen
Frauen haben in der CDU nach wie vor einen schweren Stand. Sie ähnelt der katholischen Kirche: Auch die CDU hat ihre liebe Not mit dem Machtanspruch der Konservativen. Obendrein ist sie nach allen Himmelsrichtungen zerrissen. Laschet würde ihre losen Enden gerne zusammenbinden, wenn man ihn ließe. Er könnte es wohl. Doch seine Gegner in CDU und CSU haben kein Interesse daran, dass gerade er die CDU stärkt.
Auch in der CSU wächst der Druck, die Partei zu erneuern und den Umgang in den eigenen Reihen zu zivilisieren. Es zeichnet sich ab, dass die CSU in Bayern weiterhin an Macht und Einfluss verlieren wird. Bei der Bundestagswahl stimmten bereits 70 Prozent gegen sie.
Wie im Bund werden auch in den Ländern und Kommunen die Hürden zwischen den Parteien sinken. In den CSU-Hochburgen könnten Bündnisse entstehen, die darauf abzielen, die Vormacht der CSU zu brechen und sie in die Opposition zu zwingen. Die geplante Reform des Wahlrechts dürfte diese Entwicklung noch verstärken.
An der 15-Prozent-Marke landen
Bleibt Söder an der Spitze der CSU, könnte es für die CDU vorteilhaft sein, auch in Bayern an den Start zu gehen. Gesittete Konservative müssten dann nicht von der CSU zu den Grünen oder den freien Wählern fliehen. Sie könnten CDU wählen. Beide Schwesterparteien können das Wählerpotenzial in Bayern womöglich besser ausschöpfen als die CSU allein. Sie verlöre dann ihre bundespolitische Rolle, der sie in den vergangenen Jahren nicht gewachsen war.
Die CDU steht mit ihrer Erneuerung unter Zeitdruck. Im Mai 2022 muss sie in NRW vor die Wähler treten, dann mit einem neuen Ministerpräsidenten, falls Wüst Nachfolger Laschets wird. Geht die NRW-Wahl für Schwarz-gelb verloren, wird sich auch in NRW die Frage stellen, ob die nächste Landesregierung von einer Ampel- oder einer Jamaikakoalition getragen wird.
Ein Erfolg bei der NRW-Wahl könnte der Bundes-CDU neuen Auftrieb verschaffen. Bei einer Niederlage dürfte sie auch im Bund für lange Zeit dort landen, wo bis vor Kurzem die SPD hockte. Deren Platz an der 15-Prozent-Marke ist noch warm.
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