Beueler-Extradienst

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#metoo – wie fing es an?

Das Machtgefälle und die Gewalttätigkeit zwischen den Geschlechtern fingen angeblich irgendwann mit der Sesshaftwerdung des Menschen an: das Bild vom Jäger und seiner umsorgenden Frau. Das Christentum übersetzte es sich als Ende des Paradieses, der Ungleichheit von Adam und Eva, und ihren ungeratenen mörderischen Kindern Kain und Abel. Nicht alles daran ist falsch. Das Label #metoo umfasst darüber hinaus das komplexe Zusammenspiel von Geschlechterkrieg und Medienmacht, und ist darum um viele Jahrtausende jünger. Im Folgenden dazu Beispiele für historische Bezüge.
#metoo als Mediengegenstand startete mit den Recherchen gegen den US-Filmproduzenten Harvey Weinstein. Er hatte jedoch zahllose Vorläufer in der Medienwelt. Die wie fast immer überragende Lange Nacht des Deutschlandfunks machte zum frohen Fest auf einen Fall aufmerksam, der heute längst vergessen ist: die Schriftsteller*innen-Ehe Fitzgerald. Ich bin kein Literaturfreak. Von Scott Fitzgerald hatte ich mal gehört; gelesen habe ich ihn bis heute nicht. Von seiner Frau Zelda Sayre Fitzgerald wusste ich überhaupt nichts. Hinweis für alle mit ähnlicher Unkenntnis: Mister Fitzgerald öffnete Ernest Hemingway die Tür zu dem Verlag, über den er berühmt und erfolgreich werden sollte. Fitzgerald war schon berühmt, allerdings weniger erfolgreich (mehr posthum), weil er Alkoholiker und Misshandler seiner Frau war. Sie war der klassische Fall eines (späten Todes-)Opfers einer toxischen Beziehung.
Zu ihrer Lebenszeit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es keine Strukturen, die sie hätten retten können. Im Gegenteil: die seinerzeit gepflegte Kultur von Medienruhm als Literaturstars mit beschönigter Verarmung durch mangelhafte Kontrolle der persönlichen Produktionsverhältnisse und multipler Drogenabhängigkeit – war mörderisch im wörtlichen Sinn. Und für den Medienkapitalismus schon immer ein grosses Fressen.
Diese Lange Nacht von Beate Bartlewski ist selbst ein aufklärerisches Kunstwerk. Danke.
KaDeWe – Mediathekperle?
Ich hasse die Feiertagsserien des TV-Sender, besonders die zu Weihnachten “für die ganze Familie”. Werde ich nun rückfällig? Julia von Heinz, noch so eine Adelsnachfahrin, und noch eine Bonnerin, gehört heute sicherlich zu den politisch interessanten Regisseur*inn*en. Dass für die Produktion der RBB und Oliver Berben verantwortlich zeichnen, erfüllt mich eher mit Misstrauen. Selbstverständlich darf Frau Heinz über solche Strippenzieher kein böses Wort verlieren; das wäre ja unprofessionell. Ihr PR-Interview für die Berliner Zeitung enthält dagegen fast alle auf mich ausgerichteten Lockstoffe. Möglicherweise wird die Berliner Zeitung das Interview noch digital einmauern. Dann müssen Sie halt selbst entscheiden, ob die so viel Zeit zum Glotzen aufbringen wollen.
Kirsten Achtelik – die stärksten politischen Texte zur Pandemie
Die Journalistin Kirsten Achtelik ist kaum berühmt. Ich habe sie noch in keiner TV-Talkshow sitzen sehen – was bei mir für sie spricht. Ihre Texte sind stark, und politisch exzellent reflektiert. Aktuell:
“Eine Bilanz von zwei Jahren kata­strophalem Pandemiemanagement – Kein Ende in Sicht – Nach fast zwei Jahren ist das Pandemiemanagement der deutschen Regierung so kurzsichtig und verantwortungslos wie eh und je.” (Jungle World)
und
Omikron und Gesellschaft: Die pandemische Kränkung – Damit die Infrastruktur nicht zusammenbricht, ist plötzlich für alle wichtig, wie der Einzelne sich verhält. Das müssen viele erst wieder lernen.” (taz)

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

2 Kommentare

  1. Arno Kleinebeckel

    Also da die Bibel doch ein (nicht nur) abendländischer Referenztext ist, hier ein winziger Einwand:
    Die namentlich bekannten Kinder Adams und Evas, nämlich Kain und sein jüngerer Bruder Abel, werden im Buch Genesis deutlich voneinander unterschieden. Von “ungeratenen mörderischen Kindern” (im Plural) ist weder im biblischen Textfundus noch, soweit ich sehe, in der Tradition die Rede.

    In 1. Mose 4, Verse 3-12, erscheint Neid als ausschlaggebendes Motiv des Kain, seinen Bruder zu töten. Es geht lt. Text dabei um den Gottesbezug (Gottgefälligkeit der Opfergabe). Nebenbei der erste vorkommende Fall in der Bibel, in dem ein Mensch einen anderen gewaltsam zu Tode bringt. Im NT geht Johannes auf die Tat ein (1. Joh 3:12). Der Mordgeist wird definitiv auch dort allein Kain zugerechnet.

    • Martin Böttger

      Danke für die Hinweise. Ist schon sehr lange her, dass mir diese Geschichte erzählt wurde, und die Details erinnere ich sicherlich nicht mehr richtig. Allerdings weiss ich, dass ich schon damals der Schwarz-Weiss-Zeichnung zwischen Gut und Böse nicht komplett folgen konnte und wollte. Und ich bin froh drum, dass ich dieses Misstrauen bis heute nicht abgelegt habe.
      Mein Lieblingssatz aus dem Grundsatzprogramm der Jungdemokraten von 1971 lautet: “Der menschliche Erkenntnisprozess ist prinzipiell unabschliessbar.”

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