Northstream2 – vielleicht nur ein vorgeschobenes Symbolthema?
Mglw. ist die neue Gaspipeline nur noch ein Knochen, der den veröffentlichten Meinungen zum Abnagen hingeworfen bleibt. Das Bild ist schön einfach und billige Propaganda: “der Russe” sitzt am Gashahn, und dreht auf und zu, je nachdem, wie lieb “wir” zu ihm sind. Tatsächlich hat “der Russe” immer so weit auf und zu gedreht, wie es vertraglich vereinbart ist, seit den 70er Jahren. Dafür, dass “wir” das Gas nach Osten weiterpumpen, zu unseren neuen Freund*inn*en in Nato und EU, kann “der Russe” am wenigsten von allen.
Auf wundersame Weise sind jedenfalls die Gasspeicher in Deutschland – keineswegs leer gelaufen – auf wundersame Weise so wenig gefüllt, dass sie nur für einen und nicht für mehrere Winter reichen. Das ist zum Kriegführen irgendwie echt zuwenig. Gut so. It’s the economy, stupid! Hier eine Deutung des Denkpanzers Bruegel im österreichischen ZIB2-Magazin (Video 9 min, den dritten Beitrag anklicken). Bruegel ist weit EU-näher als es putinnah ist, und österreichische Medien und Politik weit weniger missionarisch als deutsche. Zu diesem speziellen Verhältnis gibts eine tolle “bunte” Winterspielgeschichte: wie österreichische Wintersportunternehmer doofe deutsche Medien nutzen, um die polnische Konkurrenz plattzuintrigieren – genial. Wenn das die Zwergstaatler schon schaffen …
Ein umfangreiches Northstream2-Dossier der Aktuelles-Redaktion des Deutschlandfunks finden Sie hier. Wenn Sie das verdaut haben, halten Sie mal folgende Sichtweisen dagegen:
Jörg Kronauer/Junge Welt berichtet über die Alternativen für Russlands Gaslieferungen nach Mitteleuropa. Umrankt von der gemeinsamen Erklärung Chinas und Russlands. Muss einer erst 93 werden, um die Fallen zu erkennen (Audio 10 min), in die die Möchtegern-Grossmacht EU/Deutschland tappst? Wenige wissen davon, noch wenigere sprechen offen darüber.
Und nicht vergessen sollten Sie und ich in diesem grossen Gefüge die Atomverhandlungen mit dem Iran, die – Fortschritt! – nicht mehr stillstehen. Aber wer ausser Knut Mellenthin/Junge Welt informiert uns darüber?
Worum geht es in der Hauptsache?
Es gibt Grundsatzentscheidungen, die Bürger*innen- und Basisbewegungen umkämpfen müssen. In denen stehen sich Deutsche und Russen nicht gegenüber, sondern ihre Oligarchenklassen und alle die, die eine Systemumkehr wollen.
Soll der Fortschritt dieser Welt weiterhin symbolisch in Blechkisten auf vier Rädern rollen? Und nur darum der Kampf gehen, wer die meisten Billionen mobilisiert, also den Längsten hat? Dieses Spiel würde klar in einem Finale China-USA enden – mit schlechtem Ausgang für alle.
Oder geht es darum, menschliches Leben auf diesem Planeten für länger als eine Menschengeneration möglich zu machen?
Für letzteres wäre eine globale Zusammenarbeit eine notwendige Bedingung. Und einer Entmachtung der Fifa, sowie aller, die so denken wie die. Schaffen wir das? Wir nicht. Aber eine der kommenden Generationen – wenn sie noch kommen können.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net