Die Uhr tickt. In weniger als 50 Tagen läuft in Nordrhein-Westfalen ein Ultimatum aus, das es in sich hat. Die Beschäftigten der sechs Unikliniken im Land fordern von Politik und Arbeitgebern, sofort Maßnahmen gegen den Personalnotstand einzuleiten. Bis zum 1. Mai 2022 erwarten sie den Abschluss eines Tarifvertrags Entlastung.

Unterbesetzte Schichten und überlastetes Personal sind auch an den Unikliniken in Nordrhein-Westfalen (NRW) keine Seltenheit. Waren die Zustände im Gesundheitswesen schon vor der Pandemie kritisch, so sind sie nunmehr unzumutbar. Für Personal und Patient*innen. Mit ihrem insgesamt 100-tägigen Ultimatum werden die Beschäftigten jetzt klinikübergreifend aktiv. Ihr Bündnis haben sie “Notruf NRW – Gemeinsam stark für Entlastung” getauft.

“Wir haben in den vergangen zwei Jahren außerordentliche Arbeit geleistet,” sagt Lisa Schlagheck, Gesundheits- und Krankenpflegerin am Universitätsklinikum Münster. “Nun verlangen wir von der Politik und dem Arbeitgeberverband des Landes, dass auch sie außerordentliche Kraft aufbringen, um unsere Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern.” Im geforderten Tarifvertrag Entlastung sollen neben Mindestpersonalausstattungen für alle Bereiche der Unikliniken auch angemessene Belastungsausgleiche festgelegt werden. Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungsqualität soll der Tarifvertrag Entlastung ebenfalls festschreiben.

Die sechs Unikliniken in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster bilden das Rückgrat der Krankenhausversorgung in Nordrhein-Westfalen und liegen im direkten Verantwortungsbereich des Landes. “Unsere Forderungen an die Landesregierung sind daher klar”, sagt Katharina Wesenick, Leiterin des zuständigen ver.di-Landesfachbereichs. “Das Land muss zum einen den Arbeitgeberverband des Landes dazu auffordern, Tarifverhandlungen mit ver.di aufzunehmen und zum anderen die konkrete Finanzierung des Tarifvertrags Entlastung sicherstellen,” so die Gewerkschafterin. So könne die Landesregierung Standards für gute Arbeitsbedingungen an den Kliniken und eine gute Versorgung der Patient*innen setzen.

Mit Blick auf die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 15. Mai 2022 bauen die Beschäftigten der Unikliniken Druck auf. Rund 700 Aktive haben im Januar 2022 gemeinsam das 100-Tage-Ultimatum beschlossen und ihren Notruf an die Politik gesendet. Seitdem wächst die Bewegung für Entlastung ständig. Und mit ihr die Zahl an ver.di-Mitgliedern. Denn die Aktiven treffen sich wöchentlich an jeder Uniklinik, sprechen mit ihren Kolleg*innen in allen Abteilungen und erklären den Tarifvertrag Entlastung. Immer mit im Gepäck haben sie ihre Mehrheits-Petition, in der die Beschäftigten ihre Unterstützung für das Ultimatum ausdrücken.

Mit einer beeindruckenden Unterzeichner*innenzahl übergab eine Delegation der Beschäftigten die Petition am 23. März an den Arbeitgeberverband und die Landesregierung. Und auch aus der Zivilgesellschaft erhält die Forderung nach einem Tarifvertrag Entlastung viel Zuspruch. Solidarität mit den Beschäftigten haben Bürger*innen, Parteien und Verbände zum Beispiel auf digitalen Stadtversammlungen für alle sechs Klinikstandorte bekundet.

Vorbild Berliner Krankenhausbewegung

Motivierendes Beispiel für die Aktiven in Nordrhein-Westfalen ist dabei der Erfolg von ver.di und der Krankenhausbewegung in Berlin. In einem harten Konflikt haben die Beschäftigten von Charité und Vivantes im vergangenen Jahr Tarifverträge für mehr Personal und Entlastung durchgesetzt. “Diese Auseinandersetzung hat über einen begrenzten Zeitraum viel Energie gekostet,” sagt Dana Lützkendorf, Mitglied der ver.di-Tarifkommission. Der Einsatz aber habe sich gelohnt, so die Intensivpflegekraft von der Charité. “Wir haben auch unheimlich viel Stärke aufgebaut, die uns letztendlich zum Erfolg geführt hat. Und genau diese Stärke, diesen Zusammenhalt sehe ich jetzt in Nordrhein-Westfalen,” bestärkt Dana Lützkendorf ihre Kolleginnen und Kollegen an den sechs Unikliniken im Westen.

Bis zum Ablauf ihres Ultimatums am 1. Mai 2022 werden sich die Beschäftigten dort weiter organisieren. Sollte bis dahin kein Tarifvertrag Entlastung verhandelt sein, seien die Beschäftigten der sechs Unikliniken kampfbereit, sagt Jan von Hagen. Er ist der zuständige Gewerkschaftssekretär und kennt die Stimmung in den Kliniken. “Alle wissen, dass es kein Leichtes ist, über Streiks in Kliniken nachzudenken. Aber noch weniger ist es vorstellbar, dass die Zustände in den Krankenhäusern so bleiben, wie sie sind. Die Beschäftigten sind bereit, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, auch in einem großen Konflikt, wenn er notwendig ist.”

Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus ver.di publik, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion. Der Herausgeber des Beueler Extradienstes ist ver.di-Mitglied.

Über Maren Skambraks (Gastautorin):

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